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"Lass mich so sein, wie ich bin"

Von Brigitte Suchan

Wissen

Eine Schule, in die alle gern gehen, Lehrer, die ihren Schülern nicht nur "Vorgesetzte" sind, sondern auch Vertraute, Schulleiter, die ein offenes Ohr haben für Probleme von Schülern und Lehrern, verständnisvolle Eltern, die sich aufopfernd um das Wohl ihrer Kinder kümmern - eine Utopie? Für Gundl Kutschera, Soziologin, Psychotherapeutin und renommierte Trainerin und Universitätslektorin mit jahrelanger Erfahrung auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendtherapie letztendlich nur eine Frage der Kommunikation.


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Immer häufiger werden Kinder als verhaltensauffällig, schwierig, aggressiv und in weiterer Folge auch als lernschwach bezeichnet. Eltern und Lehrer stehen diesem Phänomen mit vermehrter Hilflosigkeit gegenüber. In einem Pilotprojekt, das ab November an vier niederösterreichischen Schulen in Mödling und Maria Enzersdorf eingeführt wird, will Gundl Kutschera mögliche Wege aus diesem Dilemma aufzeigen. Ihr Konzept nennt sie "neues Lernen mit Resonanz".

"Lernen kann wie Ferien sein," meint sie. Mit dem Begriff Ferien verbindet man im allgemeinen, Spaß haben, Entdecken, Spielen, miteinander Abenteuer Erleben. Qualitäten, die auch in der Schule möglich sein sollten und müssen, so Kutschera. Ihr Ausbildungsmodell für SchülerInnen stellt soziale und kommunikative Fähigkeiten in den Mittelpunkt. Gesunde Kommunikation, so ist Kutschera überzeugt, muss wie ein Handwerkszeug erlernt werden und auch Sozialverhalten ist lehr- und erlernbar. Konflikte sollen durch das Miteinander aller Beteiligten konstruktiv gelöst werden - mit gegenseitiger Würdigung.

Basis der Ausbildungsmodule ist deshalb die Stärkung von Selbstvertrauen einerseits sowie das Vermitteln neuer Lernmethoden andererseits, um individuelle Begabungen erkennen zu können. Verhaltensoriginelle Kinder sollen nicht nivelliert werden, ihr Anderssein nicht als Makel diskriminiert sondern als Besonderheit akzeptiert werden.

Was nicht bedeuten soll, dass jeder tun darf, was er will. Kinder brauchen Grenzen, so die Schulrätin und langjährige Lehrerin Hilde Obmann, und sie sind auch bereit sie zu akzeptieren, wenn Verbote und Gebote einen erkennbaren Sinn machen und nicht einfach aufoktroyiert werden.

Obmann hat in den letzten Jahren eine steigende Gewaltbereitschaft unter Jugendlichen festgestellt, die sie darauf zurückführt, dass die Anforderungen der Leistungsgesellschaft viele Kinder überfordern. "Kinder die Probleme haben, machen Probleme," meint sie.

Die Sachkompetenz wird an Österreichs Schulen ausgezeichnet vermittelt, ist die Schulleiterin der Europa-Hauptschule in Mödling, Sabine Moldan, überzeugt. Die Vermittlung von Selbst- und Sozialkompetenz, sowie von modernen Lerntechniken bleibt jedoch oftmals auf der Strecke. Schulen müssen auf die neuen Anforderungen der Gesellschaft und Wirtschaft reagieren, spricht sie aus Erfahrung.

Seelisch gesunde Kinder sind gefragt, denn nur sie werden die Herausforderungen der Zukunft meistern können, sind sich Pädagogen einig. Selbstbewusstsein, Teamfähigkeit, soziales Verhalten und Flexibilität sind schließlich Kompetenzen, die auch die Wirtschaft einfordert.

Pilotprojekt an vier Schulen

Vier Schulen im Süden Wiens, zwei Volksschulen, die Informatik-Hauptschule in Maria Enzersdorf sowie die Europa-Hauptschule in Mödling werden ab November 2002 mit dem Resonanz-Modell arbeiten. Resonanz definiert Gundl Kutschera als einen Zustand, "wenn man mit sich und mit anderen in Einklang lebt".

Das Programm will nicht nur SchülerInnen sondern auch Eltern und LehrerInnen integrieren In insgesamt 20 bis 30 Gruppen sind jeweils zehn Trainingseinheiten pro Schuljahr vorgesehen. Die vorliegenden Ergebnisse werden nach einem Jahr evaluiert und stellen die Basis für die Weiterarbeit dar. Die Kosten pro Kind und Schuljahr belaufen sich auf 435 Euro in der Pilotphase. Für Eltern, die sich diese Summe nicht leisten können, ist eine Subventionierung vorgesehen. Zwei Bürgermeister im Schulbezirk Mödling haben bereits eine finanzielle Unterstützung des Projekts zugesagt.

Konkret läuft die Sache so ab, dass dem Schulleiter von den Lehrern verhaltensoriginelle Kinder genannt werden. Der Schulleiter nimmt sowohl Kontakt mit den betreffenden Schülern als auch mit den Eltern auf. Sind alle Beteiligten bereit, an dem Projekt "Lernen mit Resonanz" teilzunehmen, tritt Gundl Kutschera auf den Plan. Wichtig dabei ist, so Kutschera, dass die Kinder freiwillig teilnehmen und nicht gezwungen werden.

Kutschera betont auch, dass es sich bei ihrem Projekt nicht um eine Therapie handelt, sondern um eine Kombination verschiedener bereits mehrfach erprobter pädagogischer Methoden. Elterngruppen in mehreren Ländern arbeiten bereits seit Jahren erfolgreich nach der Resonanz-Methode, so Kutschera.