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"Lass sie sauer werden!"

Von Judith Belfkih

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Konsum ist gemeinhin als Droge verschrieen, als Grundübel der die Klimaerwärmung anheizenden Wegwerfgesellschaft verachtet und als Geißel des modernen Menschen gebrandmarkt. Dass Konsum auch ein überaus mächtiges Protestinstrument ist und bestens dazu geeignet, gegen Ungerechtigkeiten und Ungleichverteilungen aufzubegehren, das zeigen Konsumenten aktuell in Marokko. Ende April, einen Monat vor dem seit Donnerstag begangenen Ramadan, haben einige der großen Konzerne des Landes die Preise deutlich erhöht. Ziel hinter dieser jährlichen Erhöhung: Der Fastenmonat ist einer der umsatzstärksten, vor allem in der Lebensmittelbranche. Davon wollte man profitieren.

Doch die Marokkanerinnen und Marokkaner spielten nicht mit. Eine anonyme Gruppe organisierte über Soziale Medien den Boykott dreier an sich äußerst populärer Konzerne: der Tankstellen-Gruppe Afriquia, der Molkerei Central und dem Mineralwasserhersteller Sidi Ali. Einen Monat nach Beginn der Aktion, die unter dem mehrdeutigen Schlagwort "Lass sie sauer werden!" steht, lassen sich deutliche Umsatzeinbrüche bei den Unternehmen sowie eine Talfahrt der Aktienkurven beobachten. Dazu ist eine heikle politische Debatte entbrannt. Den zahlreichen Unterstützern der Aktion stehen solche gegenüber, die jetzt "Landesverrat" rufen und auf die bedrohten Arbeitsplätze in den Unternehmen hinweisen.

Konsumieren ist weitaus weniger passiv als sein Ruf - ganz im Gegenteil. Es ist ein aktives, höchst wirkmächtiges und ebenso politisches Mitgestalten der Welt.