Prozessstart gegen mutmaßliche kriminelle Vereinigung, die mehr als 170 Menschen geschleppt haben soll.
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Wien. In einem viel zu kleinen Auto eingesperrt, zwischen Menschen eingepresst, den Schleppern schutzlos ausgeliefert. Kaum Luft zu bekommen, stundenlang ohne Pausen und Verpflegung auszuharren: Dieses Schreckensszenario mussten laut Anklage der Staatsanwaltschaft Wien drei irakische Familien Ende August 2016 auf der Westautobahn durchleben. Zu zwanzigst sollen sie in einem Auto eingepfercht gewesen sein, das nur für maximal sieben Personen zugelassen ist. Neun Menschen sollen sich allein auf der Rückbank befunden haben. Erst eine Polizeikontrolle in Amstetten beendete die Fahrt, so die Anklage.
Fahrten wie diese und andere Schleusungen sollen fünf Männer mitorganisiert und durchgeführt haben, die sich am Montag vor einem Schöffensenat (Vorsitz: Richterin Martina Spreitzer-Kropiunik) des Wiener Straflandegerichts zu verantworten hatten. Die zwischen 22 und 41 Jahre alten Männer sind syrische Staatsbürger. Sie selbst sind 2014 mit der Hilfe von Schleppern nach Österreich gelangt. Das Quintett soll in unterschiedlichen Zusammensetzungen zwischen August und November 2016 über 170 Menschen aus Syrien und Irak in Ungarn abgeholt und nach Österreich oder Deutschland geschleppt haben.
Arbeitsteilige Vorgehensweise
Arbeitsteilig und im Rahmen einer kriminellen Vereinigung seien die Angeklagten vorgegangen, sagte der Staatsanwalt in seinem Eröffnungsplädoyer. Ein Täter sei mit dem Auto vorausgefahren, um den anderen Täter, der das Auto mit den geschleppten Menschen fuhr, vor Polizeikontrollen zu warnen. Die Aufgabe weiterer Täter sei es gewesen, telefonisch die Schleusungen zu koordinieren und zu organisieren.
"Eine Freundschaft ist keine kriminelle Vereinigung", meinte Verteidiger Andreas Strobl, der zwei Angeklagte vertritt. Die Männer "haben ganz banale Kontakte gehabt" und seien "Freunde geworden". "Man hat miteinander Zeit verbracht", sagte Strobl.
"Machen wir gleich Nägel mit Köpfen", erklärte wiederum Verteidiger Michael Schnarch. Nüchtern und präzise rattert er die Schleppvorgänge und Verantwortung seines Mandanten hierzu herunter. Bei dieser und jener Schleppung sei der Angeklagte dabei gewesen. Doch ein paar Korrekturen habe sein Mandant: Einmal etwa seien nicht zwanzig Menschen, sondern nur sechzehn Menschen geschleppt worden.
Die Angeklagten zeigten sich größtenteils geständig oder teilgeständig. "Es tut mir leid", meinte ein Angeklagter gleich zu Beginn. Im Gegensatz zu den anderen Männern wird ihm nur eine Schleppung vorgeworfen. Als Vorausfahrer soll er bei der Schleusung von Syrern nach Österreich beteiligt gewesen sein.
Er habe zwei Mitangeklagten geholfen, ihre Frauen nach Österreich zu bringen, so der 28-Jährige. Er habe sich bereiterklärt, die Männer mit seinem Auto zu einer Tankstelle in Ungarn zu bringen. Es habe sich um einen Freundschaftsdienst gehandelt. Außer den Kosten für das Benzin habe er nichts bekommen. Dass es sich um eine strafbare Handlung handle, habe er gewusst.
"Warum sind die Männer nicht mit ihren eigenen Autos gefahren?", fragte Richterin Spreitzer Kropiunik. "Ich habe zu ihnen gesagt, dass ich sie mit dem Auto zu den Frauen bringe, aber niemanden schwarz einsteigen lasse", antwortete der 28-Jährige. Trotz mehrmaligen Nachfragens der immer ungeduldiger werdenden Richterin blieben seine Antworten vage. "Das, was ich zu sagen habe, habe ich gesagt", meinte er.
Ein Urteil in dem umfangreichen Prozess soll es erst am Donnerstag gegeben - die Verhandlung ist auf mehrere Tage anberaumt.