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Lassen wir die Kirche im globalen Dorf

Von Erhard Fürst

Gastkommentare
Erhard Fürst war Leiter der Abteilung Industrie- und Wirtschaftspolitik in der Industriellenvereinigung.
© privat

Eine fragwürdige wirtschaftspolitische Diskussion.


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Nachdem die Corona-Pandemie hoffentlich unter Kontrolle gebracht worden ist, wendet sich die öffentliche Diskussion schwerpunktmäßig den wirtschaftlichen Konsequenzen zu. Immerhin geht es dabei in der EU um BIP-Schrumpfungsraten in Größenordnungen von 5 bis 15 Prozent, um Verdopplungen von Arbeitslosenraten und um Zunahmen der Staatsverschuldung um 10 Prozentpunkte des BIP und mehr. In einer ersten Phase musste sich die Wirtschaftspolitik darauf beschränken, die wichtigsten Brandherde unter Kontrolle zu bringen, im Wesentlichen durch umfangreiche finanzielle Hilfszusagen, Garantien, eine massive Ausweitung der Kurzarbeitsfinanzierung, etc., um gehäufte Unternehmensinsolvenzen zu verhindern.

Diese - vielfach befristeten und limitierten - Maßnahmen müssen nun auch in Österreich rasch in ein umfassendes wirtschaftspolitisches Zukunftskonzept übergeführt werden, und das unter möglichst weitgehender Erfüllung der klimapolitischen Agenda. Priorität muss aber die Wiederherstellung der vollen Wirtschaftskraft des Landes haben. Diese Herkulesaufgabe übertrifft in ihrer Komplexität und gesellschaftspolitischen Sprengkraft den Kampf gegen das Coronavirus. Gottseidank geht es dabei nicht mehr um Menschenleben.

Aber wohin bewegt sich die wirtschaftspolitische Diskussion tatsächlich in Österreich, dessen Exporte nahezu 60 Prozent des BIP ausmachen und das Investitionen von rund 200 Milliarden Euro im Ausland unterhält und nicht viel weniger ausländische Investitionen im Inland zählt? Es geht um ein Zurückdrängen des Fundaments unseres Wohlstands, nämlich der Globalisierung und des von ihr ausgehenden Wettbewerbs- und Innovationsdrucks, in Richtung eines wirtschaftlichen Biedermeiers auf solidarischer Basis in geschützten Werkstätten. Ohne die Heldinnen der Alltagsökonomie von Supermärkten bis Müllabfuhr gering zu schätzen, müssen jetzt wieder jene auf die Bühne kommen, die innovative Produkte für die Regale und die digitalen Verkaufsplattformen entwickeln oder mittels disruptiver Technologien einen raschen Übergang zu einem CO2-armen Wirtschaften ermöglichen.

Da wird ernsthaft (und nicht nur zum Aufbau einer Verhandlungsposition) diskutiert, ob wir eine AUA brauchen mit ihrer Luftverschmutzung. Abgesehen von den hohen unmittelbaren Jobverlusten durch einen Untergang der Fluglinie, den Verlusten beim Flughafen Schwechat, verlöre Wien hochwertige Arbeitsplätze in Kanzleien, Büros, Agenturen, Handelsfirmen mit Schwerpunkt Mittel- und Osteuropa und Naher Osten. Diese Destinationen würden nicht mehr von Wien, sondern von einem deutschen Hub aus bedient werden.

Jetzt, da so viel über Solidarität gesprochen wird, scheint manchen der richtige Zeitpunkt gekommen, um Österreich ins Abenteuer gemeinsamer Euro-Anleihen zu drängen, und das ohne Kontrolle durch die Gläubiger. Und um das Pferd wirklich ganz von hinten aufzuzäumen, beginnen wir das mittelfristige wirtschaftspolitische Konzept - noch ohne wirkliche Kenntnis der weiteren budgetären Entwicklung - mit einer wenig standortfreundlichen Diskussion über Vermögens- und Aktientransaktionssteuern. Wie spricht Obelix? "Die spinnen doch . . ."