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Lasst den Tschechen ihre Hymne

Von Christoph Rella

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Hätte Ester Ledecká bei Olympia in Pyeongchang kein Gold geholt, wer weiß? Die Tschechen hätten sich womöglich die Debatte, die aktuell um ihre Nationalhymne "Kde domov můj?" ("Wo ist meine Heimat?") geführt wird, sparen können. Offenbar musste der Ski- und Snowboard-Star aus Prag wirklich erst gewinnen (und eine Siegerehrung samt Hymnenspiel auslösen), damit das Tschechische Olympia-Komitee überhaupt auf die Idee kommen konnte, an dem uralten Text aus dem Jahr 1834 herumzumäkeln. Das Lied sei nicht nur "wenig selbstbewusst und wenig patriotisch", sondern zudem - weil seit der Loslösung der Slowakei 1993 ihrer zweiten (slowakischen) Strophe beraubt - "zu kurz", ließ der Vorsitzende des Komitees, Jiří Kejval, wissen und vorsorglich eine "majestätischere" Version ausarbeiten.

Nun kann man über die Hymne sagen, was man will. Martialisch klingt angesichts der Wasser, Wälder und Gärten Böhmens, die hier besungen werden, anders. Da steht sie ihrem österreichischen Pendant in Friedfertigkeit um nichts nach. Warum das jetzt auf einmal, nach fast 200 Jahren unpassend sein soll, erschließt sich angesichts des Mangels an großen Eroberungskriegen und Heldengeschichten in Böhmens jüngerer Geschichte nicht ganz. Tschechien ist schließlich nicht das revolutionäre Frankreich.

Ebenso greift das Argument des Olympia-Komitees, die Hymne sei aufgrund ihrer Kürze nicht zu singen, nicht wirklich, wird doch bei Sportveranstaltungen - und darum geht es - ohnedies nur eine Strophe angestimmt. Selbst die Deutschen singen, obwohl ihre Hymne drei Teile kennt, nur die dritte (unbelastete) Strophe. Tschechiens Sportler dürfen sich vielmehr glücklich schätzen, für ein friedliches und schönes Land wie das ihre anzutreten. Und das soll auch ruhig in ihrer Hymne zum Ausdruck kommen.