Irgendwann sollte es mit dem wehmütigen Blick zurück auch gut sein. Nostalgie hat noch nie zur Problemlösung beigetragen.
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Aus gegebenem Anlass eine notwendige Klarstellung: Die seligen 70er Jahre des 20. Jahrhunderts sind vorbei und werden auch nicht wiederkehren, ganz egal, wie sehr sich das manche im politisch-medialen Komplex auch wünschen mögen. Oder, um es mit den legendären britischen Komikern Monty Python zu sagen: Der Vogel ist tot.
Seit gefühlten zwanzig Jahren vergeht kein Tag, an dem nicht irgendwer irgendwo den angeblich guten alten Zeiten unserer Politik und Bruno Kreisky höchstpersönlich nachtrauert. Das mag ja noch für all jene durchgehen, die diese Epoche noch aktiv miterlebten. Früher war ja immer alles besser. Seltsam wird es allerdings spätestens dann, wenn sogar die Nachgeborenen umstandslos bei der Kritik an der Gegenwart in den Vergangenheitsmodus verfallen. Hier erschöpft sich die Utopie in der Sehnsucht nach der Wiederauferstehung einer längst verflossenen Epoche. Ein erschütternderes Urteil über die Zukunftsfähigkeit einer Gesellschaft lässt sich schwerlich formulieren.
Was hätte wohl Kreisky in dieser Situation gemacht? Das ist der Leitstern, der im Staate Österreich zu Beginn des 21. Jahrhunderts die Suche nach Problemlösungen anleitet. Und genau so fallen die Antworten dann auch aus: staatszentriert, sozialpartnerbestimmt, bürokratiefördernd. Fast wie in den seligen 70er Jahren eben, als Kreisky, Kanzler von 1970 bis 1983, seine Glanzzeit erlebte.
Natürlich bedürfen auch säkulare Schicksalsgemeinschaften einer sinnstiftenden Geschichtsschreibung, positive Helden erleichtern dieses Unterfangen ungemein, zumal die weiter zurückliegende Vergangenheit als Hypothek wirkt.
Die Rückbesinnung auf die gute alte Zeit droht hierzulande jedoch zunehmend aus dem Ruder zu laufen. Naheliegenderweise ist Werner Faymann weder Bruno Kreisky noch Franz Vranitzky; ähnlich dramatisch das Schicksal von Michael Spindelegger, dem weder die Schuhe von Alois Mock noch Wolfgang Schüssel passen. Die Jeremiade macht aber auch nicht vor den Oppositionsparteien Halt, dafür ist Heinz-Christian Strache viel zu offensichtlich nicht Jörg Haider und Eva Glawischnig weder Alexander Van der Bellen noch Freda Meissner-Blau. Wenigstens Matthias Strolz und Kathrin Nachbaur bleibt dank der Gnade der späten politischen Geburt ihrer Bewegungen das Schicksal des ewigen Vergleichs erspart.
Höchste Zeit, dass sich alle Nostalgiker mit einem vielleicht ernüchternden, aber unabänderlichen Umstand anfreunden: Kreiskys Ära ist vorbei und abgesehen von einigen wehmütigen Erinnerungen taugt sie herzlich wenig als Orientierungsmaßstab für die Gegenwart. Das haben die 70er übrigens - und Gott sei Dank! - mit den deutlich unglückseligeren 80er oder den weltanschaulich engeren 50er und 60er Jahren gemeinsam. Nicht einmal die hyperoptimistischen 90er werden uns noch einmal beglücken, was im Rückblick schon auch ein ziemliches Glück ist.
Deshalb ein frommer Wunsch an alle Zeitgenossen: Lasst Kreisky und sein Team in Ruhe endlich ruhen. Sie haben es redlich verdient.