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Die Videoaufnahme lügt nicht. Als die iranische Kletterin Elnas Rekabi beim jüngsten WM-Finale im südkoreanischen Seoul daran ging, den vorgegeben Kurs zu erklettern, fehlte das Kopftuch. Für die Sittenwächter in ihrer Heimat genügte dies schon, um sich die 33-Jährige vorzuknöpfen. Für einige Tage war nicht klar, wo sich Rekabi befindet, Gerüchte machten die Runde, dass sie von Beamten verhaftet und ihr Handy beschlagnahmt worden sei. Dass sie nun am Mittwoch in Teheran sicher gelandet ist, hat allgemein für Erleichterung gesorgt. Nur ausgestanden ist die Sache nicht. Weder für Rekabi, noch für die herrschenden Mullahs.
Während die Kletterin und ihre Familie trotz aller Beteuerungen von den iranischen Behörden schikaniert werden - so soll etwa Rekabis Bruder verhaftet worden sein -, müssen sich allerdings auch die Machthaber vorsehen. Seit Wochen wird die Islamische Republik von Demonstrationen erschüttert, ausgelöst durch den Tod einer jungen Iranerin, die wegen eines Kopftuchdelikts von der Sittenpolizei festgenommen worden war. Sollte auch Rekabi dieses Schicksal treffen, würde dies die Proteste wohl noch mehr anfachen, mit der Konsequenz, dass möglicherweise sogar das System gestürzt würde.
Zu glauben, dass die Mullahs den Hijab-Zwang so ohne weiteres aufgeben, ist unrealistisch. Ein Zugeständnis werden sie den Menschen auf der Straße aber in der Sache machen müssen - und sei es nur, dass sie die iranischen Athletinnen in Ausübung ihres Sports von der Kopftuchpflicht befreien. Das wird gewiss nicht alle zufriedenstellen, aber es wäre ein erster Erfolg. Schließlich gibt es nichts Störenderes, als mit verschleiertem Kopf und Gesicht im Wettkampf anzutreten. Vom Wettbewerbsnachteil gar nicht erst zu reden. Das müsste selbst Hardlinern einleuchten. Müsste.