Die Hilfe der internationalen Gemeinschaft ist erschreckend gering.
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Am Sonntag vor drei Wochen bekamen die Hebammen unserer Geburtsklinik in Bangui das ganze Desaster in der Zentralafrikanischen Republik zu spüren. Während sie verängstigte Schwangere in den Wehen beruhigten, mussten sie die Opfer der jüngsten Kämpfe stabilisieren: zwölf schwerverletzte Männer mit Schusswunden und Verletzungen durch Granaten und Raketen. Es gab keine andere Gesundheitseinrichtung in der Nähe – und das mitten in der Hauptstadt.
Weitab von der Weltöffentlichkeit befindet sich die Zentralafrikanische Republik in einer katastrophalen Dauerkrise. Heute findet in Brüssel auf Einladung der EU eine Geberkonferenz für das Land statt, das nach einem Putsch vor drei Jahren ins Chaos fiel. Das Gesundheitswesen ist nicht mehr als ein Torso, mit entsetzlichen Folgen: Das Land steht bei der Lebenserwartung weltweit an drittletzter Stelle.
Ärzte ohne Grenzen betreibt in der Zentralafrikanischen Republik eines der momentan größten Hilfsprogramme mit mehr als 3000 Mitarbeitern. Bei einer Gesamtbevölkerung von knapp fünf Millionen Menschen haben unsere Mediziner im vergangenen Jahr etwa eine Million Patienten und Patientinnen behandelt. Doch humanitäre Organisationen können das zerstörte und dramatisch unterfinanzierte Gesundheitswesen nicht ersetzen.
Die Hilfe der internationalen Gemeinschaft ist erschreckend gering: Die Geberkonferenz will für die Gesundheitsversorgung nur 16 US-Dollar pro Einwohner und Jahr mobilisieren. Allein Ärzte ohne Grenzeninvestiert derzeit 11 US-Dollar pro Einwohner und Jahr.
Dabei hatten die Geber großzügigere Hilfe versprochen. Der deutsche Entwicklungsminister Gerd Müller etwa verkündete bei seinem Besuch in Bangui vor zwei Jahren, die Weltgemeinschaft dürfe dem Morden und dem Hungern nicht tatenlos zusehen. Doch in die Kliniken von Ärzte ohne Grenzen wurden in diesem Jahr sogar mehr lebensgefährlich mangelernährte Kinder eingeliefert als 2015. Und noch immer werden täglich Zivilisten angegriffen, während sich internationale Truppen zurückziehen.
Die Geberländer müssen sich stärker für den Schutz von Zivilisten engagieren und humanitäre Hilfe sowie den Wiederaufbau des Gesundheitswesens weit umfassender unterstützen als bisher. Die Situation vor Ort droht sich sogar zu verschlechtern. Im Januar soll die kostenlose Gesundheitsversorgung für Kleinkinder und für Schwangere wieder abgeschafft werden. Falls die Regierung und die internationale Gemeinschaft keine andere Lösung finden, können sich viele von ihnen dann überhaupt keine medizinische Hilfe mehr leisten.