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Last orders für britische Pubs

Von Annette Reuther

Europaarchiv

Grassierendes Wirtshaus-Sterben: Pro Woche sperren rund 27 Lokale zu. | Massive Einbußen beim Bierverkauf. | London. (dpa) Sie gehören zu Großbritannien wie die Queen, eine Tasse Tee und Fish & Chips. Sie sind Treffpunkt für Touristen genauso wie für Trunkenbolde und Geschäftsleute: die Pubs. Doch nun droht immer mehr Lokalen das Aus. Die schwächelnde Wirtschaft, Billigbier aus dem Supermarkt, das Rauchverbot und der Anti-Alkohol-Kampf der britischen Regierung bedrohen die Existenz vieler Pubs. Der Branchenverband warnt bereits vor einer "Pub-losen Zukunft".


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Die Zahlen zeichnen in der Tat ein trostloses Bild. Nach Angaben der Britischen Brauerei- und Pub-Vereinigung haben allein im vergangenen Jahr 1400 Pubs zugesperrt - im Jahr davor waren es 200. Pro Woche drehen damit im Schnitt 27 Wirtshäuser ein- für allemal den Zapfhahn zu. Und jene, die noch offen sind, klagen über mangelnden Bierdurst: Im zweiten Quartal 2008 wurden in den Pubs um fast elf Prozent weniger Bier verkauft - das sind pro Tag 1,6 Millionen Pints weniger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. "Der Verkauf von Bier läuft so schlecht wie seit der ,Großen Depression in den 1930er Jahren nicht mehr", sagt Verbandschef Rob Hayward.

Die Parallele zu der schweren Wirtschaftskrise in den USA ist nicht zu weit hergeholt. Denn in Großbritannien hat die derzeitige Kreditkrise besonders stark zugeschlagen: Die Immobilienpreise fallen, Lebensmittel und Strom werden immer teurer und das Vertrauen der Verbraucher ist im Keller. Vielen Briten ist die Lust vergangen, ihr Geld im Pub auszugeben.

Soziale Institutionen

"Es ist wie ein Feuer, das um sich greift. Rundherum herrscht Pub-Sterben", klagt der Besitzer des "Stephan Langton Inn" in der südenglischen Grafschaft Surrey. Vor allem die Supermarktketten seien für den Niedergang verantwortlich. "Die verkaufen das Bier noch unter dem Einkaufspreis, um die Leute anzulocken. Dann wird alleine zu Hause getrunken statt in Gesellschaft im Pub um die Ecke." Wer aufs Geld schauen muss, überlegt sich eben zweimal, ob er für ein Pint (etwas mehr als einen halben Liter) umgerechnet rund 50 Cent im Supermarkt oder fast vier Euro wie in manchen Londoner Pubs ausgibt.

Ein anderer Besitzer gibt der Regierung die Schuld an der Krise. Denn die versucht derzeit, den um sich greifenden Trinkexzessen Jugendlicher unter anderem mit höheren Steuern auf Alkohol Einhalt zu gebieten. "Diese Regierung sagt, sie will eine Café-Kultur in diesem Land", sagt Frank Feehan, Betreiber des "Dykes End" in Cambridgeshire. "Wir haben aber schon eine Art Café-Kultur: Es ist eine Pub-Kultur. Das heißt nicht Kampftrinken, sondern sich an einem Ort wie diesem zu treffen, ein lokal gebrautes Bier zu genießen und miteinander Zeit zu verbringen."

Schließlich ist das "Public House" eine urbritische Institution, die aus dem gesellschaftlichen Leben nicht wegzudenken ist. Um neue Einnahmequellen zu erschließen, bieten viele Pubs heute weit mehr als nur Bier und Chips an.

Ketten erobern Markt

Doch exotische Thai-Gerichte können anscheinend genauso wenig gegen das Pub-Sterben ausrichten wie eine erlesene Weinkarte oder die Aufhebung der Sperrstunde vor drei Jahren. Im Gegenteil: Die Möglichkeit, 24 Stunden geöffnet zu haben, verlangt eine teure Lizenz und wird nur von wenigen Pubs genutzt.

Und so heißt es in den meisten Lokalen wie gehabt um 23 Uhr: "Last orders" (letzte Runde). Für Nostalgie bleibt dabei aber wenig Platz, denn immer mehr der rund 57.000 Pubs im Vereinten Königreich werden von Ketten wie Punch Taverns und Enterprise Inns aufgekauft.

Traditionalisten stößt das bitter auf. "Dort darf man nicht einmal seinen Hund mitnehmen", schimpfte ein Gast im "Stephan Langton Inn" über ein nahes Pub, das kürzlich an eine Kette gegangen ist. Doch ein Mittel gegen den versiegenden Bierdurst scheinen auch die Pub-Riesen nicht gefunden zu haben: Sie melden ebenfalls Umsatzeinbrüche.