Ein falsches Wort zur falschen Zeit reicht für die Entlassung.
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Wien. Ein bekanntes persisches Sprichwort lautet: "Wenn dir ein Wort auf der Zunge brennt, lass‘ es brennen." Das sagt sich leicht. Spätestens beim Eintritt in die Volksschule beherrschen die meisten Kinder das berühmte Götz-Zitat und so manch weiteres Schimpfwort und machen in der Hitze des Gefechts reichlich Gebrauch davon. Doch während man bei jungen Mitbürgern noch Nachsicht walten lässt, ist im beruflichen Umfeld Zurückhaltung angesagt. Wer seinen Vorgesetzten beleidigt, riskiert seinen Job.
"Du kleine Krot"
"Erhebliche Ehrverletzungen gegen den Dienstgeber stellen einen ausdrücklich gesetzlich geregelten Entlassungsgrund dar", weiß Gottfried Schmutzer, Experte für Arbeitsrecht bei Schmutzer & Ott-Sander Rechtsanwälte. Die Entlassung ist dann gerechtfertigt, wenn die Ehrverletzung in der Absicht begangen wird, den Dienstgeber in erheblichem Ausmaß zu verletzen, wenn sie im besonderen Maße beleidigend ist und ein mit einem normalen Ehrgefühl behafteter Mensch auf sie nicht anders als mit dem Abbruch der Beziehungen reagieren kann. Ein Beispiel: Der Vorgesetzte eines Bauarbeiters begehrt Auskunft über den Fortschritt einer Baustelle und bekommt zur Antwort: "Das geht dich nichts an, Du kleine Krot". Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat entschieden, dass diese respektlose Äußerung - ungeachtet eines rauen Umgangstones unter Bauarbeitern - einen Entlassungsgrund darstellt (OGH 9 ObA 249/97a).
Oft hängt es von den besonderen Umständen des Einzelfalles ab, etwa die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb und die Gelegenheit, bei der eine Äußerung fällt. Zu berücksichtigen ist, ob die besonderen Umstände die Beleidigung noch als entschuldbar erscheinen lassen, insbesondere, weil dem ein unangemessenes Verhalten des Dienstgebers vorangegangen ist. So durfte etwa eine Angestellte ihren Chef ungestraft der "kalten Lüge" bezichtigten, da er ihr zuvor Informationen vorenthalten beziehungsweise sie falsch informiert und ihr ungeeignete Weisungen erteilt hatte.
In manchen Fällen könne auch das Schimpfwort "Arschloch" noch "verständlich" und für eine Entlassung zu wenig sein, nämlich dann, wenn die Äußerung etwa vom Arbeitgeber provoziert war. Schmutzer: "Man muss sich den Umgangston in einem Unternehmen beziehungsweise betriebsübliche Verhaltensweisen und Äußerungen ansehen."
"Tschusch": Ein No-go
Allerdings pocht der OGH schon darauf, dass grundsätzlich grobe Beschimpfungen nicht generell zu tolerieren sind. Dazu hat der OGH etwa regelmäßig festgehalten, dass Ausdrücke wie "Arschloch" (OGH 9 ObA 2110/96a), "Tschusch" (OGH 9 ObA 173/99b), "Schwein" (OGH 9 ObA 305/99i), "Blöde Kuh" oder "Drecksau" zumeist eine Entlassung rechtfertigen werden, ebenso regelmäßig das Götz-Zitat. "Aufpassen muss man auch, wenn mit der Beleidigung überdies die Autorität des Vorgesetzten/des Chefs in Frage gestellt wird", sagt Schmutzer. Hier sehe das Gericht schneller eine Grenze überschritten und den Entlassungstatbestand gegeben. Bei Beleidigungen des Mitarbeiters durch den Chef kommen dieselben Grundsätze vor Gericht zur Anwendung. Wenn der Dienstgeber sich "Tätlichkeiten, Verletzungen der Sittlichkeit oder erhebliche Ehrverletzungen gegen den Angestellten oder dessen Angehörige zu Schulden kommen lässt oder es verweigert, den Angestellten gegen solche Handlungen eines Mitbediensteten oder eines Angehörigen des Dienstgebers zu schützen", ist das ein berechtigter Grund zum vorzeitigen Austritt aus dem Dienstverhältnis.