Ein Drittel der Bürger misstraut Tageszeitungen und ORF. Vor allem Freiheitliche haben ihre Zweifel. | Der Österreicher an sich ist ja gerne mit sich und der Welt im Reinen. Um den Weg zu diesem Ziel nicht unnötig zu verlängern, mischt man sich zwischen Neusiedler See und Bodensee am liebsten unter seinesgleichen. Das gilt übrigens nicht nur für den Bekanntenkreis, sondern auch für den Medienkonsum.
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Das belegt eine Imas-Studie im Auftrag des Instituts für Liberale Politik: 60 Prozent der Österreicher ist es wichtig, dass die Berichterstattung der Zeitung, die sie am häufigsten lesen, mit ihrer eigenen Überzeugung übereinstimmt. Im Fall des ORF sind 53 Prozent dieser Meinung.
Die Berichterstattung der Tageszeitungen und des ORF bewerten und zwei Fünftel der Bürger als ausgewogen und weitgehend objektiv. Ein Drittel stellt den heimischen Medien ein schlechtes Zeugnis aus: In ihren Augen wird vieles verzerrt oder unvollständig dargestellt.
Hier gibt es eine bemerkenswerte Korrelation: Personen, die eine glaubwürdige Berichterstattung konstatieren, sind viel häufiger bereit, sich frei über alles zu äußern. Dazu muss man wissen, dass laut Imas rund ebenfalls ein Drittel der Bürger mehr oder weniger große Scheu hat, unbefangen über die eigenen Ansichten zu sprechen. Mehr als die Hälfte der Wähler von FPÖ und BZÖ fallen in diese Kategorie.
Vier von zehn Österreicher sind in diesem Zusammenhang der festen Überzeugung, dass über Vor- und Nachteile der EU-Mitgliedschaft, die Privilegien der Politiker und Missstände bei Ämtern und Behörden nicht objektiv berichtet wird.
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Wenn von schwarzen Netzwerken die Rede ist, kommt man um den Cartellverband nicht herum: Was den einen ein Freundschaftsbund fürs Leben, geknüpft auf der Universität und aufgebaut auf katholischen Werten, ist, erscheint den anderen als ÖVP-Vorfeldorganisation mit fix eingebauter Karrierestützleiter. Unnötig zu sagen, dass Mitglieder und Unterstützer eher Ersterem zuneigen.
Dabei gab es auch für den CV nicht nur goldene Zeiten mit der Volkspartei. Vor allem unter Erhard Busek, Parteichef von 1991 bis 1995, hatten CVer bei der Postenvergabe in der bürgerlichen Reichshälfte schlechte Karten. Ganz im Gegenteil zur Katholischen Hochschülerschaft, in der Busek selbst politisch sozialisiert wurde.
Aus der stammt zwar auch Buseks einstiger Ziehsohn Wolfgang Schüssel, aber dank Andreas Khol (Raeto-Bavaria, Innsbruck) hatte der CV vor allem unter Schwarz-Blau wieder Rückenwind. Heute, zurück in den Zeiten der Großen Koalition, ist der Zweite Nationalratspräsident Michael Spindelegger (Norica, Wien) das höchstrangige Verbindungsglied zur ÖVP; Zukunftshoffnung und Landwirtschaftsminister Josef Pröll ist lediglich CV-Ehrenmitglied.
Nicht nur karrieretechnisch, auch mitgliedermäßig scheinen für den Cartellverband wieder bessere Zeiten anzubrechen: Die anonyme Massenuniversität lässt offenbar die Sehnsucht nach sozialer Vernetzung wieder wachsen: Die Neuaufnahmen haben im Jahr 2006 zum ersten Mal die Zahl von 300 Studenten überstiegen, insgesamt verfügt der CV über rund 12.800 Mitglieder, die sich auf 45 Verbindungen in ganz Österreich - allein 25 in Wien - aufteilen.
Wie groß der politische Einfluss des CV - um den sich ja wahre Mythen ranken - tatsächlich ist, könnte sich demnächst zeigen: Die eingetragene Homo-Partnerschaft hat hier nur wenige Freunde; vor kurzem diskutierte man hier gemeinsam mit Perspektiven-Leiter Pröll das Familienprogramm der ÖVP.
Dabei ist man in eigener Sache Pragmatismus nicht abgeneigt: Die früher eherne Regel, dass wiederverheiratet Geschiedenen der Ausschluss droht, ist heute längst passé. Man spricht einfach nicht mehr darüber. Und auch beim Thema Frauen hat das Leben einen Weg gefunden: Sie dürfen zwar nach wie vor nicht Mitglied im CV werden, sehr wohl aber im Europäischen Dachverband EKV, was irgendwie doch auch wieder fast dasselbe ist.