Die EU, aber auch die USA sind in die Konfrontation mit Russland hineingestolpert. Ein Ausweg steht in den Sternen.
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Wovor alle Seiten gewarnt haben, ist doch eingetreten. Russlands Präsident Wladimir Putin hat sich im Konflikt um die Ukraine der Logik der westlichen Perspektive widersetzt und dem seine eigene entgegengesetzt. In dieser rangieren die geopolitischen Interessen Russlands vor seinen wirtschaftlichen. Mit der Anerkennung der von russischen Separatisten-Republiken und der Stationierung russischer Truppen auf deren Gebiet löst Putin eine Spirale aus, deren mittel- und langfristigen Folgen nicht absehbar sind.
Die EU steht vor einem Scherbenhaufen. Die EU-27 müssen handeln, obwohl sich dieses Handeln gegen ihre ureigensten materiellen Interessen richtet. Die wirtschaftlichen Kosten werden überwiegend von der Union zu tragen sein. Für den Moment wird der Druck für Geschlossenheit unter den EU-27 sorgen, doch eher früher als später werden die unterschiedlichen Interessen einen Keil zwischen diese treiben.
Das gilt vor allem für die Energieversorgung. Wenn der Rhetorik von harten Sanktionen Taten folgen, ignoriert die EU, dass wesentliche Staaten, darunter Deutschland und Österreich, von russischem Gas abhängen. Die EU ist auf diesen Konflikt denkbar schlecht vorbereitet. Dass Berlin Nord Stream 2 vorerst nur auf Eis legt, deutet darauf hin, dass man sich dessen bewusst ist.
Strategisch degradiert dieser Konflikt alle Pläne von strategischer Autonomie für die EU zu Luftschlössern. Maßgebliche Mitgliedstaaten, allen voran Polen, sehen ihre Sicherheit allein durch die Nato sowie die Präsenz der USA gewährleistet (wofür es historische gute Argumente gibt). Das ist genau das Gegenteil der von der EU angestrebten Weltpolitikfähigkeit.
Entglitten ist die Situation auch der Nato, was umso schwerer wiegt, als strategische Weitsicht zu deren Kernkompetenzen zählen sollte. Das nordatlantische Sicherheitsregime stolperte in die Debatte um eine Mitgliedschaft der Ukraine und Georgiens, die aus Sicht Russlands zwingend in eine offene Konfrontation führt. Jetzt hat die Nato keine Alternative, als ihre Truppenpräsenz im Baltikum und entlang der ukrainischen Grenzen gen Westen auszubauen, Moskau wird entsprechend reagieren.
Das weist auch den strategischen Köpfen in Washington im Allgemeinen und der Administration von US-Präsident Biden im Besonderen kein gutes Zeugnis aus. Die USA wollen Europa als verlässlichen Verbündeten in der Auseinandersetzung mit China; was sie nicht wollen können, ist eine Konfrontation auf europäischem Boden mit Russland.
Jetzt ist diese Konfrontation da. Und keiner vermag zu sagen, was an deren Ende stehen wird.