Geplante Einschränkung von Durchsuchungen bei Behörden sorgt für Flut an Stellungnahmen. Justizministerin Zadic will Entwurf umarbeiten.
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Üblicherweise sind es eher juristische Feinspitze, die sich für Novellen zur Strafprozessordnung interessieren. Nun aber löst eine geplante Gesetzesänderung eine Flut an Reaktionen aus. Bereits 2.400 Stellungnahmen gibt es zu jenem Ministerialentwurf, mit dem künftig auch Hausdurchsuchungen bei Behörden erschwert werden sollen. Es dürften noch einige mehr dazukommen - die Begutachtungsfrist läuft noch bis 7. Mai. Justizministerin Alma Zadic (Grüne) kündigte nach einem Gespräch mit Experten am Montag bereits an, den Entwurf umzuarbeiten.
Hinter der Lawine an Stellungnahmen steckt offenbar eine akkordierte Aktion: Die Schreiben stammen fast ausschließlich von Privatpersonen, meist werden identische Textbausteine verwendet. "Durch die geplanten Beschränkungen der Hausdurchsuchungen wird die Bekämpfung von Korruption bei Behörden und in der Politik de facto verunmöglicht", heißt es etwa.
Innenminister Nehammer verteidigt Reform
Der Grund für die Aufregung ist der geplante § 112a der Strafprozessordnung. Er sieht vor, dass Sicherstellungen und Durchsuchungen bei Behörden künftig nur noch möglich sein sollen, wenn gegen den Behörden- oder Dienststellenleiter ermittelt wird. Im Regelfall sollen die Staatsanwälte Unterlagen künftig via Amtshilfe bei der Behörde anfordern, anstatt sie selbst sicherzustellen.
Dadurch werde die Korruptionsbekämpfung erschwert, bemängeln Kritiker. Der Überraschungseffekt gehe durch die Amtshilfe verloren, außerdem könnten Beamte sensible Unterlagen verschwinden lassen, anstatt sie den Ermittlern auszuhändigen. Strafrechtler Klaus Schwaighofer bezeichnete die Novelle als "eindeutig zu eng".
In der Koalition ist man sich uneins. Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) verteidigte die Reform. Es gehe ihm um den Verfassungsschutz, Geheimdienstunterlagen müssten geschützt werden. Er verwies auf die Razzia beim Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung im Februar 2018. Bei der vom Oberlandesgericht Wien nachträglich als unverhältnismäßig eingestuften Razzia waren sensible Unterlagen beschlagnahmt worden.
Grüne vollziehen Kehrtwende
Die Grünen hatten die Novelle ursprünglich ebenfalls in Schutz genommen. Nach der Kritik von Verfassungs- und Strafrechtlern vollzogen sie aber eine Kehrtwende. Wenn die Bestimmung dazu führen könnte, dass Korruptionsermittlungen eingeschränkt werden, "wird es diese Bestimmung mit Sicherheit mit mir nicht geben", sagte Justizministerin Zadic.
Zadic traf sich am Montag mit Experten, um die Novelle zu besprechen. Dabei handelte es sich um Kritiker der Reform. So etwa den Verfassungsjuristen Heinz Mayer, der die Novelle als einen "gezielten Kopfschuss gegen den Rechtsstaat" bezeichnete.
Mit am Tisch saßen auch der Bezirksrichter Oliver Scheiber und Walter Geyer, Ex-Leiter der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, welche die Änderung ebenfalls kritisch sehen. Zadic versprach nach dem Gespräch, den Entwurf umzuarbeiten. Die im Vorfeld geäußerte Kritik werde sie aufgreifen.
Nicht vertreten bei dem Treffen war Rupert Wolff, Präsident der Österreichischen Rechtsanwaltskammer. Das Justizressort betonte, dass man die Expertise der Anwälte noch einholen werde. "Ich habe Verständnis dafür, dass Hausdurchsuchungen nur durchgeführt werden, wenn keine gelinderen Mittel möglich sind, um an die gewünschten Informationen zu kommen", sagte Wolff zur "Wiener Zeitung". Behörden sollten "miteinander zivilisiert umgehen und sich nicht überfallen".
Wolff hält die Bestimmung aber auch für problematisch. Durch die Amtshilfe könne der Überraschungseffekt verloren gehen. Dieser sei aber für "effektive Ermittlungen" oft notwendig. Auch stelle sich angesichts der jüngsten Affären die Frage, ob mit der Änderung "effiziente Ermittlungstätigkeiten hintangehalten werden sollen". Ein Mittelweg sei daher eine geeignete Lösung.
Anwälte für Begründungspflicht
Strafrechtler Schwaighofer schlägt vor: Im Gesetz könnte festgehalten werden, dass in der gerichtlichen Bewilligung der Hausdurchsuchung die Verhältnismäßigkeit zu begründen ist. In diesem Fall müsste ausgeführt werden, warum mit der Amtshilfe nicht das Auslangen gefunden werden kann und warum die Durchsuchung in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere der Straftat steht. Bisher ist das nicht notwendig - der Haft- und Rechtsschutzrichter kann die Anordnung mit einem Stempel ("Stampiglienbeschluss") bewilligen.
"In diese Kerbe schlage ich sofort mit ein", sagte Wolff. Er fordere seit langem, dass der Richter seinen Bewilligungsbeschluss schriftlich begründen müsse.