Hollandes Kampagnenchef Moscovici nähert sich an Front National an.
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Paris/Wien. "Präsidiabel" sei er gewesen, der Auftritt François Hollandes, nachdem er zum Sieger des ersten Durchgangs der französischen Präsidentschaftswahlen erklärt wurde, sagten die einen. Andere wiederum bemerkten: "Sieger sehen anders aus." Mit der ihm eigenen Ruhe betrat er nach Veröffentlichung der Ergebnisse die Bühne vor seinen Fans und sagte: "Ich bin heute der am besten Platzierte, um der nächste Präsident der Republik zu werden." Eine prägnante Ansprache, ein Winken zur euphorischen Menge und der Auftritt war vorbei.
Anders die Situation beim zweitplatzierten Amtsinhaber Nicolas Sarkozy. Der freute sich am Sonntag wie ein Schneekönig. "Der zweite Wahldurchgang ist absolut schaffbar", rief er seinen Anhängern zu. Die Freude könnte nicht nur daher rühren, dass Sarkozy mit nur 1,4 Prozent Unterschied näher an Hollande dran ist als von vielen erwartet. Es ist auch so, dass auf den ersten Blick das rechte Lager besser abgeschnitten hat als das linke.
Ein besonderes Augenmerk gilt den Wählern der rechts-extremen Front National (FN) von Marine Le Pen. Mit fast 18 Prozent der Stimmen ist sie die heimliche Siegerin des ersten Wahldurchgangs, auch wenn der dritte Platz für sie bedeutet, dass sie es nicht geschafft hat, wie ihr Vater Jean-Marie vor zehn Jahren, für die FN in die Stichwahl einzuziehen. Doch dafür hat seit Parteibestehen noch nie jemand so viele Stimmen bei einer Präsidentschaftswahl erhalten - nicht einmal ihr Vater, der 2002 im ersten Durchgang auf rund 17 Prozent der Stimmen kam und im zweiten auf 17,79.
Konservative und Linke buhlen um Stimmen der FN
Bei Sarkozys konservativer UMP macht man sich seit längerem Hoffnung auf ihre Wählerschaft. Gard, das einzige Départment, das Le Pen mehrheitlich gewinnen konnte, zeigt, dass sie die noch 2007 von Sarkozy dominierten Wahlbezirke erobern konnte, während jene der Sozialisten fast komplett unberührt blieben. Beim zweiten und entscheidenden Wahlgang am 6. Mai sollen sie, so wie andere, zurückerobert werden. Besonders ein Mann, Patrick Buisson, ist es, der dem Präsidenten seit 2005 "den Code und die Worte gegeben hat, die man anwenden muss, um die Wähler der Front National zu verführen", wie einmal Jean-Marie Le Pen analysierte. Zwar gilt der Berater Sarkozys, der seine politische Karriere im rechts-extremen Lager begann, aufgrund von Le Pens Erfolg als großer Verlierer der Wahl. Doch wird es seine Aufgabe sein, im zweiten Wahlgang dafür zu sorgen, dass Sarkozy möglichst viele FN-Wähler einsammelt.
In seiner Wahlrede ging der Präsident auch gleich auf die Rechtsextremen ein. Er versicherte, dass er die "Ängste verstehe", die die Wähler Le Pens im Angesicht der Krise ausdrückten. Mit seinem europakritischen Kurs und der Ankündigung die Immigration reduzieren zu wollen, ist er schon seit langem auf Rechts-außen-Kurs. Doch die FN-Wähler für den zweiten Wahlgang automatisch Sarkozy zuzurechnen, wäre natürlich absolut falsch. Viele Wähler der FN sind Protestwähler, die weder Hollande noch Sarkozy ihre Stimme geben wollen und am 6. Mai zu Hause bleiben werden. Dazu kommt eine sozial-populistische Dimension der FN, die manchen ihrer Wähler auch für die Parti Socialiste ansprechbar machen.
Tatsächlich entdecken die Sozialisten gerade ihr Herz für die von ihnen sonst verteufelten FN-Wähler. "Diese soziale Wut möchten wir hören und sagen, dass wir die Antworten haben, dass es wir sind, denen das Sorgen macht", sagte Pierre Moscovici, Ex-Europaminister und aktueller Kampagnen-Chef Hollandes.
Analysten sehen in den kommenden zwei Wochen einen von Le Pens Themen - Einwanderung, Islam, innere Sicherheit, Ablehnung des Euro - dominierten Wahlkampf zwischen Hollande und Sarkozy aufziehen. Zu einem gewissen Grad bitter für den sozialistischen Favoriten ist das Abschneiden seines links-extremen Konkurrenten Jean-Luc Mélenchon. Von bis zu 17 Prozent der Stimmen war vor der Wahl die Rede. Geworden sind es schließlich 11,1 - ein verhältnismäßig geringes Reservoir. Noch dazu, wo sich auf dieser Seite des politischen Spektrums eine ähnliche Situation wie gegenüber abzeichnet: Viele Wähler der Linkspartei sind Protestwähler, die beim zweiten Durchgang eher zu Hause bleiben werden.
Märkte verunsichert durch möglichen Hollande-Sieg
Mancher Experte, darunter der Journalist und politische Analyst Hugues Serraf, glauben sogar, dass Mélenchon-Anhänger die "schicklichere", also um Fremdenfeindlichkeit und Rassismus reduzierte Variante des lepenschen Protestwählers ist. Immerhin erhielt aber Hollande - wenn auch indirekt - die Unterstützung Mélonchons, der seine Anhänger aufrief, alles zu tun, um einen Sieg Sarkozys zu verhindern. Eine Wahlempfehlung gab Marine Le Pen auf der anderen Seite nicht ab. Ebenso wenig wie der Zentrist François Bayrou, dessen Stimmen ebenfalls von den Kandidaten der Stichwahl umworben werden, jedoch schwer auszurechnen sind.
Unterm Strich herrscht einhellig die Meinung, Hollande habe nach seinem Sieg im ersten Wahldurchgang die besseren Chancen darauf, den zweiten Durchgang zu gewinnen. Dieser Ansicht schlossen sich offenbar auch die Märkte an. Die Pariser Börse eröffnete am Montag mit einem Minus. Der wichtige Aktienindex CAC-40 verlor; die Zinsen für Staatsanleihen mit zehn Jahren Laufzeit stiegen. Händler sagten, es handle sich eindeutig um eine Reaktion auf die Aussichten eines Siegs des Sozialisten Hollande im zweiten Wahlgang. Der mögliche Machtwechsel in Frankreich hat viele Anleger verunsichert. Sie befürchteten, dass Europa seinen Sparkurs verlassen könnte.
Hollande hat unter anderem einen Spitzensteuersatz von 75 Prozent für Einkommen von mehr als einer Million Euro angekündigt. Zudem will er den EU-Fiskalpakt, mit dem Haushaltsdefizite automatisch bestraft werden können, neu verhandeln. Auch die Stimmung der französischen Wirtschaft trübte sich leicht ein: Der Geschäftsklimaindex fiel um einen auf 95 Punkte, wie das nationale Statistikinstitut Insee am Montag mitteilte.