Die französische Rechtspopulistin liegt in Umfragen vor der Präsidentschaftswahl hinter den Erwartungen.
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Die heiße Phase des Wahlkampfs in Frankreich hat begonnen - doch sie fühlt sich noch immer eher lauwarm an. Fast ein Drittel der Wählerinnen und Wähler sagen in einer neuen Umfrage, sie interessieren sich nicht für die Präsidentschaftswahl in zwei Monaten. Nur 57 Prozent wissen schon sicher, wem sie ihre Stimme geben. Und 41 Prozent glauben, dass Präsident Emmanuel Macron wiedergewählt wird - dem gegenüber sehen nur neun Prozent die Rechtspopulistin Marine Le Pen ganz vorne und acht Prozent die Republikanerin Valerie Pecresse.
Dabei hat Macron seine Kandidatur noch gar nicht offiziell erklärt. Während mehr als ein Dutzend Kandidatinnen und Kandidaten längst Kundgebungen abhalten und für sich werbend durchs Land reisen, verfolgt der Staatschef weiter seine Regierungsgeschäfte. Soeben kündigte er die neue Energiestrategie Frankreichs für die nächsten Jahrzehnte und den Bau neuer Nuklearreaktoren an, so als gelte es nicht auch noch, vorher eine Wahl zu gewinnen.
Internationaler Vermittler
Auch ließ er wissen, dass er vor der ersten Runde am 10. April wenig interessiert an einer klassischen TV-Debatte mit den anderen Kandidaten sei. Eine Bühne hat er als Präsident ohnehin. "Bis zur letzten Viertelstunde" werde er regieren, sagte der 44-Jährige auf den Vorwurf der Opposition hin, den derzeit laufenden französischen EU-Ratsvorsitz trotz der Präsidentschaftswahl nicht verschoben zu haben. Anfang Februar versicherte er in einem Interview, er sei davon "besessen", erst die aktuell kritische Phase der Corona-Pandemie und die geopolitische Krise zwischen Russland und der Ukraine hinter sich zu lassen.
Bei Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und dem ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj bemühte sich Macron um eine aktive Vermittlerrolle. Im Anschluss zeigte er sich vorsichtig optimistisch, einen Beitrag zur Deeskalation geleistet zu haben. Sollte dies wirklich gelingen, wäre es ein Erfolg, mit dem er auch zuhause punkten könnte. Kommt es trotz aller Bemühungen zu Kampfhandlungen, wäre das auch ein Scheitern Macrons. Dieses Risiko ging er ein.
Seit Monaten führt der Staatschef in Umfragen mit rund 24 Prozent, deutlich vor Le Pen mit zuletzt 17 Prozent, Pecresse mit 14,5 Prozent sowie dem rechtsextremen Journalisten und Bestsellerautor Eric Zemmour, der bei 14 Prozent liegt. In jeder Konstellation darf Macron momentan mit einem klaren Sieg in der Stichwahl rechnen.
Dennoch sollte er sich nicht zu sicher fühlen, warnt Frederic Dabi, Leiter des Meinungsforschungsinstitutes IFOP: "Das kann sich ganz schnell ändern." Besonders gefährlich könnte für Macron die Debatte um die Kaufkraft werden, die sich neben der Gesundheit und der Sicherheit als wichtigstes Thema in diesem Wahlkampf herauskristallisiert.
Macron kommt aber die Schwäche der Opposition entgegen. Das linke Lager wirkt angesichts von sieben Kandidaten, von denen der Linkspopulist Jean-Luc Melenchon mit neun Prozent derzeit noch am besten abschneidet, völlig zersplittert. Die Konservative Pecresse wird eingezwängt zwischen Macron, der eine ähnlich reformerisch-liberale Linie vertritt, und der extremen Rechten. Soeben hat der konservative Ex-Budget- und Arbeitsminister unter Präsident Nicolas Sarkozy, Eric Woerth, angekündigt, den Staatschef zu unterstützen und nicht Pecresse.
Drei gescheiterte Anläufe
Pecresse kämpft mit Le Pen um den Einzug in die Stichwahl. Diese hat wiederum starke Konkurrenz durch den in Medien omnipräsenten Zemmour. Zuletzt verließen mehrere einflussreiche Parteifunktionäre Le Pens rechtsnationalen Rassemblement National (RN), um sich dem anderen Bewerber anzuschließen. Beide Rechtspolitiker fordern in ihren Programmen in erster Linie einen Einwanderungsstopp und klare Nachteile für Migranten in Frankreich. Zemmour, der schon mehrmals wegen Volksverhetzung verurteilt wurde, ist in seiner Wortwahl der Gröbere und verbreitet die rechtsextreme Verschwörungstheorie vom "großen Bevölkerungsaustausch" der "weißen Rasse".
Es gilt als offensichtlich, dass die Überläufer sich bereits auf die Zeit nach der Wahl vorbereiten und an der Seite Zemmours mehr Aufstiegspotenzial erkennen. Nach drei gescheiterten Kandidaturen Le Pens könnten sich viele in der Partei von der Politikerin abwenden.
Zemmour behauptet, trotz seines radikalen Auftretens als Einziger eine "Union der Rechten" durch eine Vereinigung mit dem rechten Flügel der Republikaner anführen zu können. Deren frühere Nummer zwei, Guillaume Peltier, hat er abgeworben und zum Wahlkampfsprecher gemacht. Die Idee eines Zusammenschlusses verfolgt auch Le Pens Nichte, die 32-jährige Marion Marechal, die sich 2017 vorläufig aus der Politik zurückgezogen und ein politisches Institut gegründet hatte.
Familiäre Versöhnung?
Doch Marechal behielt einen großen Einfluss und sagte nun, sie werde ihre Tante nicht unterstützen, vielleicht aber "Eric", mit dem sie im Herbst bei einer vom ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban organisierten Konferenz auftrat. Das sei "brutal" für sie, reagierte Le Pen.
Überraschend erhielt sie Unterstützung von ihrem Vater, dem einstigen Parteigründer Jean-Marie Le Pen, der sie zuletzt oft wegen ihres in seinen Augen zu weichen Kurses kritisiert hat. Er wolle eine Versöhnung zwischen seiner Tochter und seiner Enkelin organisieren, versprach der 93-Jährige vor kurzem. Der Erfolg erscheint ungewiss.
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