Jean-Marie Le Pen wird FN-Führung wohl an seine Tochter übergeben. | Tours/Wien. Die Front National wird erstmals in ihrer Geschichte eine neue Führung erhalten. Seit ihrer Gründung im Jahr 1972 war Jean-Marie Le Pen Chef der rechts-extremen französischen Partei. Doch am Sonntag wird der 82-jährige Jurist das Zepter aller Voraussicht nach an seine Tochter Marine Le Pen übergeben.
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Die Anwältin liegt allen Umfragen nach im Rennen um den Chefsessel der Partei weit in Führung. Die 24.000 Mitglieder, die die Front National (FN) eigenen Angaben zufolge hat, können per Brief ihre Stimme abgeben. Marine Le Pens Kür zur Vorsitzenden am Sonntag in Tours gilt somit als so gut wie sicher.
Experten gehen davon aus, dass dies die FN stärken wird, die bereits im Vorfeld der Machtübergabe Änderungen in der Wählerstruktur durchlaufen hat. Lange Zeit war der typische FN-Wähler männlich und wenig gebildet. Das hat sich mittlerweile geändert.
"Das Bildungsniveau der Parteibasis ist gestiegen", analysiert der Soziologe Erwan Lecoeur in der Online-Zeitung "slate.fr". Diese neue Schicht sei zudem dabei, ziemlich schnell einflussreiche Posten zu übernehmen. "Sie kommen auf das Versprechen Marine Le Pens hin, Zugang zur Macht zu erhalten."
Auch in der Geschlechterstruktur hat sich die Partei verändert. Waren noch vor zehn Jahren 90 Prozent der Wähler Männer, so gibt es mittlerweile mehr FN-Wählerinnen als FN-Wähler. Zudem werden die Anhänger immer jünger. Eine Entwicklung, die auch in Österreich bei den Freiheitlichen zu beobachten ist.
Gleichzeitig vertreibt Marine Le Pen aber auch andere Wähler, wie etwa katholische Traditionalisten, eine Schicht, die eher ihr Rivale Bruno Gollnisch vertritt. Die 42-Jährige tritt für Abtreibung und zivile Partnerschaft ein. Eine Haltung, die die zweimal Geschiedene, auch selbst vorlebt: Sie zieht ihre drei Kinder ohne Vater groß und lebt mit dem FN-Vordenker Louis Aliot zusammen.
Gleichzeitig nimmt die Zahl der alten Garde ab: Algerienkämpfer, Anhänger des Vichy-Regimes oder Monarchisten.
In einem Punkt wird Marine Le Pen aber auf jeden Fall für Kontinuität sorgen: Ausländerpolitik. Erst vor kurzem hat die Staatsanwaltschaft Lyon Ermittlungen wegen Anstiftung zum Rassenhass gegen sie aufgenommen, da sie die Straßengebete von Muslimen mit der Nazi-Besatzung verglichen habe.
Für die Präsidentschaftswahlen werden Marine Le Pen 14 Prozent der Stimmen vorausgesagt. Das dürfte vor allem für Nicolas Sarkozy und seine UMP schmerzhaft werden. Stimmt doch laut Umfragen rund ein Drittel der Konservativen mit den Ideen der FN überein.