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Leben bis in die Unendlichkeit bringt Inflation des Alterns

Von Eva Stanzl

Wissen
Unendliches Leben - wie gesund wären wir dann? Foto: Corbis

Die Lebenserwartung steigt konstant weiter. | Forscher: Akademiker sollen länger arbeiten. | Wien. Fluch oder Segen? Pro Jahrzehnt steigt die Lebenserwartung in westlichen Industriestaaten um 2,5 Jahre. Das sind rund drei Monate pro Jahr, oder sechs Stunden am Tag. Diese Zahlen präsentierte James Vaupel, Direktor des Max Planck Instituts für Demografische Forschung in Rostock, am Dienstag in Wien vor Fachpublikum.


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"In Ländern wie Deutschland oder Österreich werden mehr als die Hälfte der Babys, die 2007 geboren sind, ihren 100. Geburtstag feiern", betonte der Demograf bei einem Symposion der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), "Gesundes Altern als Chance". Vaupel zufolge ist die Lebenserwartung von 1950 bis 2008 bei Frauen von 67 auf 83 Jahre und bei Männern von 62 auf knapp 78 Jahre gestiegen. Oder anders gesehen: 1950 hatte eine 65-jährige Frau noch 14 Lebensjahre vor sich, 2008 waren es 21 Jahre. 65-jährige Männer konnten sich 1950 noch auf zwölf Jahre freuen, 2008 hingegen auf 18 Jahre. Dabei erfreuen sich immer mehr ältere Menschen einer guten Gesundheit. "70-Jährige sind heute so gesund wie 60-Jährige vor ein paar Jahrzehnten", so Vaupel.

Neuer Trend in Berechnung

Die Aussage spiegelt einen neuen Trend in der Berechnung. Gegenwärtig wird das Alter rückblickend und chronologisch anhand der gelebten Jahre seit der Geburt gemessen. In diesem Sinn definiert die UNO immer noch Menschen ab 60 Jahren als "alt". Realitätsbezogener wäre es heute jedoch, die verbliebene Lebenserwartung zu berechnen, wie Sergei Scherbov vom Institut für Demografie der ÖAW in Wien darlegte.

"Wenn man bedenkt, dass hierzulande der Großteil der Menschen das 60. Lebensjahr erreicht und die Zahl jener, die 90 werden, steigt, wäre es sinnvoll zu sagen, dass jemand erst dann alt ist, wenn seine Lebenserwartung nur noch weitere 15 Jahre beträgt."

Bisher ist man in Prognosen davon ausgegangen, dass die Lebenserwartung nur noch wenig ansteigt. Doch dem ist nicht so: "Es ist ein fast lineares weiteres Ansteigen zu beobachten", erklärte Wolfgang Lutz, Chef des Instituts für Demografie. Die gewonnenen Jahre sollen jedoch nicht alle als Pensionsjahre genutzt werden, sondern auch zum Arbeiten.

Somit müsste das Pensions-Antrittsalter wohl parallel zum Lebensalter hinaufgesetzt werden. Jeder könnte dann etwa mit 60 zum Arzt gehen und sich durchchecken lassen um zu sehen, ob er fit genug ist für weitere zehn Jahre Arbeit. Ist er hingegen zu krank, um noch lange zu leben, darf er in Pension gehen. Eine absurde Vision? Folgt man den beim Symposion dargebrachten Thesen, scheint sie nicht weit hergeholt. Lutz zufolge bleiben höher Gebildete nämlich länger gesund und könnten folglich länger arbeiten. Durch ihre längere Produktivität könnten Akademiker die abnehmende Zahl an jungen Menschen kompensieren, sagte er.

Optimistischen Prognosen zufolge können Menschen bis zu 120 Jahre alt werden. Noch optimistischeren Ideen zufolge könnten wir den Tod sogar besiegen: Die Medizin müsste nur alle Mechanismen, die den Alterungsprozess befördern, entschlüsseln und ihre Aktivität im Körper hemmen.

Noch sind diesbezügliche Forschungsarbeiten allerdings bei den Fadenwürmern, wie eine bei der Tagung präsentierte Studie zeigt. Beatrix Grubeck-Loebenstein und ihr Team vom Institut für Biomedizinische Alternsforschung in Innsbruck haben die Lebenserwartung von Fadenwürmern von 20 auf 50 Tage erhöht, indem sie für die Alterung zuständige Gene ausgeschaltet haben. "Allerdings sind wir nicht über 50 Tage hinausgekommen. Die Lebensdauer scheint Grenzen zu haben", sagte sie. Andere Tests an Würmern, Mäusen und Fliegen hätten jedoch nachgewiesen, dass eine ausgewogene, kalorienarme Diät die Lebenserwartung noch im hohen Alter verlängern kann. Zuständig seien Gene für die Verarbeitung von Kohlehydraten, Aminonosäuren und Sauerstoff.