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Kürzlich war ich mit zwei Freunden zusammen, die zu der seltenen Spezies der TV-Totalverweigerer gehören. Sie leben fernsehlos, und zwar nicht, weil sie sich das Gerät oder die Gebühren nicht leisten könnten, sondern weil sie vom vielfältig schillernden Angebot dieses Mediums keinen Gebrauch machen wollen.
Als regelmäßiger Fernsehkonsument fragte ich an, ob ihnen nicht doch etwas fehle in ihrer strengen Abstinenz. Nun sind meine zwei Freunde Intellektuelle alten Stils, also nicht leicht in Versuchung zu führen. Wie der Bulle von Tölz aussieht, welche Schicksale im Forsthaus Falkenau ihren Lauf nehmen, interessiert sie nicht im Geringsten. Gerade weil sie Trivialitäten dieser Art als Zumutung empfinden, lehnen sie den Fernseher ja ab. (Und wenn sie sich amüsieren wollen, gehen sie ins Kino.)
Einen Mangel aber gaben sie schließlich doch zu: Wohl könne man sich aus Zeitungen über Politik und Kultur informieren, doch fehle dort der unmittelbar sinnliche Eindruck. Was der Bundeskanzler oder der Oppositionsführer im Parlament gesagt hätten, lasse sich nachlesen, nicht aber, wie sie dabei aufgetreten seien. Um das zu sehen, könnte ein Fernseher doch ganz nützlich sein, meinten beide unabhängig voneinander. Aber ich denke, sie werden sich trotzdem keinen anschaffen. Denn zum Charakter des Intellektuellen gehört es seit eh und je, dass er die sinnlichen Eindrücke geringer schätzt als die Gedanken. Und Gedanken zeigen sich im Fernsehen ja tatsächlich eher selten.