Schulkinder sollen Grundbegriffe der Reanimation lernen.
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Wien. Hand aufs Herz: Wissen Sie genau, was zu tun ist, wenn Ihr Partner oder Arbeitskollege plötzlich zusammenbricht? Sie müssen erst mal nachdenken? Das ist gar nicht gut, denn bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand gilt: Je früher Maßnahmen ergriffen werden, desto höher sind die Überlebenschancen.
15.000 Menschen sterben in Österreich jährlich an plötzlichem Herztod. 80 Prozent der Fälle ereignen sich in den eigenen vier Wänden. Aus diesem Grund ist die Erste Hilfe durch Laien eine der wichtigsten Maßnahmen, um das Überleben der Erkrankten zu sichern. Aus Angst, etwas falsch zu machen, würden laut einer Umfrage aber nur 23 Prozent der Österreicher "auf jeden Fall" Erste Hilfe leisten.
Die Re-Animateure
Fritz Sterz, stellvertretender Leiter der Universitätsklinik für Notfallmedizin der Medizinischen Universität Wien, will sich damit nicht abfinden und hat die Initiative "Leben retten" gegründet. "Wir setzen uns dafür ein, dass die Vermittlung lebensrettender Sofortmaßnahmen verpflichtend in den Lehrplan aller österreichischen Pflichtschulen aufgenommen wird", skizziert Sterz das Ziel seiner Initiative.
Unterstützt wird er dabei von freiwilligen Helfern und von hunderten Medizinstudenten, die bei ihm das Wahlfach "Handlungsorientierter Unterricht im Bereich der kardiopulmonalen Reanimation" absolvieren.
"Die Studenten werden dabei gebeten, nicht als dozierende Lehrbeauftragte eines Erste-Hilfe-Kurses, sondern als (Re-)Animateure eines Clubs von Lebensrettern in den Schulen aufzutreten", stellt Sterz gegenüber der "Wiener Zeitung" klar. Die angehenden Mediziner nehmen dazu Kontakt zu ihren ehemaligen Bildungsstätten auf und bringen dort den Kindern lebensrettende Sofortmaßnahmen bei. "Derzeit stehen 70 Schulen auf unserer Warteliste, und das ohne Sponsoring oder Unterstützung", ist Sterz stolz über die Nachfrage. Das Trainingsmaterial - große und kleine Reanimationspuppen sowie Übungsdefibrillatoren - wird von der Medizinischen Universität zur Verfügung gestellt. Die Teilnahme am Projekt ist für die beteiligten Schulen kostenlos.
Bleibt die Frage, ob Kinder - rein körperlich - überhaupt in der Lage sind, genügend Kraft für eine Herzmassage aufzuwenden? Und ob man einen Defibrillator ohne Bedenken in Kinderhände geben kann? Man kann nicht nur, man muss sogar, kontert Sterz. "Durch den frühen Kontakt mit dem Thema sinkt die Hemmschwelle, selbst Erste Hilfe zu leisten, erheblich", erklärt der Medizin-Professor. "Außerdem gilt auch hier, was Hänschen nicht lernt, oder haben Sie in der ersten Klasse Volksschule schon Cicero gelesen?"
Regelmäßiger "Herzalarm"
Um im Notfall richtig zu handeln, sollten lebensrettende Handgriffe neun Schuljahre lang zwei Mal jährlich geübt werden, fordern die Initiatoren von "Leben retten". "Dem Herzalarm muss in den Schulen der gleiche Stellenwert eingeräumt werden wie dem Feueralarm", steht für Sterz fest. Schließlich hätte Erste Hilfe als Pflichtfach auch weitreichende gesellschaftliche Folgen. Gerade kleine Kinder würden ihren Eltern gern von den in der Schule erlebten Lerninhalten erzählen. Auf diese Weise könnten Erwachsene mit dem Thema Erste Hilfe (wieder) in Kontakt kommen und vielleicht sogar dazu angeregt werden, ihr Wissen aufzufrischen. In internationalen Studien konnte bereits belegt werden, dass der Erste-Hilfe-Unterricht in Schulen die Überlebensrate von Menschen mit Herzstillständen im ganzen Land erhöht. Um auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen, veranstaltete die Initiative im April des Vorjahres einen spektakulären Flashmob am Wiener Stephansplatz. Hunderte Schulkinder reanimierten dabei ihre Puppen und Kuscheltiere. Eine Aktion, die zwar große Aufmerksamkeit bei Passanten und Medien erregte, nicht jedoch im Bildungsministerium, bedauert Sterz. "Von Seiten des Ministeriums herrscht mir gegenüber bis heute Funkstille."
Die Petition "Leben Retten" kann man online auf www.lebenretten.at unterschreiben.