Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 7 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Vorbei die Tage, als die Diskussionen um Europa als intellektuellen Entwurf kreisten. Manche Träume sind verbrannt, andere Wahrheit geworden. Eine sich beschleunigende Geschichte fordert ihre Bewährung. Europa ist heute Werkzeug, Handlungsrahmen, Lebenswirklichkeit. Im Herzen lebt ein Traum weiter, damit die Träume von 500 Millionen Menschen sich an der Wirklichkeit messen und in Sinn verwandeln können: Seit 2005 bildet der Verfassungsvertrag mit Grundrechtecharta das Herzstück: "Europa gründet auf Freiheit, Demokratie, Recht, Solidarität. Es trägt zur Erhaltung und Entwicklung dieser gemeinsamen Werte unter Achtung der Vielfalt der Kulturen und Traditionen der Völker sowie der nationalen Identität der Mitgliedstaaten bei. Mittelpunkt aber ist das Individuum in seiner Einzigartigkeit, der in unantastbarer Würde, Freiheit und Gleichheit geborene Mensch." In subsidiärer Entfaltung erweckt er Gemeinschaft zu lebendiger Interdependenz.
Dynamische Demokratie
Kinder und Jugendliche sind nicht objektivierbar, kein Mensch ist es - Leben ist immer subjektiv. Für ein harmonisches Miteinander ist essenziell, dass jeder sich als wichtig erfährt. Bereits Schulklassen bilden Untergruppen, doch jeder Schüler kann mehreren Gruppen angehören, dadurch zwischen Sichtweisen vermitteln und so zu einem Ergebnis verhelfen, mit dem die meisten zufrieden sind. Dialogräume finden sich in der Klasse, aber auch außerhalb. Es geht darum, Ziele zu erreichen und den Weg dorthin so lehr- und erlebnisreich wie möglich zu gestalten, wobei Freundschaft am besten hilft. Selbstverständlich ist, einander bei Problemen beizustehen. Als lernende Gemeinschaften können sich solche Klassen flexibler an Situationen anpassen. Streitigkeiten sind da ein Ringen um die Vereinbarkeit von Individualität und Gemeinschaft. Die Qualität der Beziehung bestimmt jene der Auseinandersetzung: je besser, desto belastbarer, desto mehr Chance auf Neues.
In Dialog, Weg und Ziel findet Gemeinschaft den ihr adäquaten Ausdruck. Getragen wird sie von Toleranz und Respekt, Vertrauen und Hilfsbereitschaft. Emotionale Beziehungen und Erlebnisse, bei denen alle Spaß haben, aber auch Bewährungsproben binden die Menschen aneinander.
Wahrheit in Freiheit
Bildung ist Freiheit. Am Ursprung von Bildung steht die Suche nach dem Wesentlichen. Bildungsreform findet täglich statt, wo Kinder lachen, Fragen stellen, sich freuen am Lernen und Entdecken. Kinder und Jugendliche spielen mit Möglichkeiten. Ihre Lehrer können den Boden aufbereiten und Brücken schlagen, wo Kreativität ihre ersten Schritte in eine neue Sprache wagt. Schule ist ein tägliches Wagnis. Die Sonne in uns ist es, die die Welt um uns zum Leuchten bringt. Wichtiger als Geld sind Raum, Zeit und gemeinschaftliches Entdecken über Grenzen hinweg. Wer sich mit wem bildet, entscheidet heute über "Kulturräume" und Beziehungen von morgen. Europa und die ganze Welt als Erlebnis-, Begegungs- und Resonanzraum für den Dialog der Horizonte.
Karl Pangerl ist BHS-Lehrer in Oberösterreich, Unesco-Schulreferent und war Mitglied des Europa-Forums Alpbach. Der vorliegende Kommentar entstand in Zusammenarbeit mit der 5B des BG Vöcklabruck.