Wie lebendiger Parlamentarismus aussehen kann, zeigten diese Woche die Klub-Obleute von SPÖ, ÖVP, BZÖ und Grünen. Bekanntlich drohte Österreich wegen seines Bankgeheimnisses die Aufnahme in die "Graue Liste" der OECD. Um die Bestimmungen zu ändern, ist eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat - also auch die Zustimmung zumindest einer Oppositionspartei - nötig. Das - und sogar noch mehr - ist gelungen.
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Nach intensiven Verhandlungen kam man überein, in einer Sondersitzung des Nationalrates nächste Woche das sogenannte Amtshilfe-Durchführungsgesetz, das Änderungen beim Bankgeheimnis für Steuerausländer vorsieht, mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit zu beschließen. Rechtzeitig vor dem G-20-Gipfel im September sind damit die Voraussetzungen für eine Streichung Österreichs von der "Grauen Liste" gegeben.
In diesem Zusammenhang kamen die vier Parlamentsparteien auch überein, folgende weitere Initiativen zu setzen:
Der Rechnungshof wird im Rahmen einer Sonderprüfung die Umsetzung des Bankenpakets, das vorigen Herbst im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise beschlossen wurde, prüfen. Diese Prüfung soll die Inhalte der mit den Banken abgeschlossenen Verträge und deren Erfüllung (insbesondere hinsichtlich der Kreditversorgung der Wirtschaft) beinhalten.
Die Verfassungsbestimmungen betreffend die Prüfkompetenzen des Rechnungshofs werden mit dem Ziel novelliert, Zweifelsfälle wie die Prüfung des Großbauvorhabens Skylink am Flughafen Wien künftig zu vermeiden. Der Rechnungshof soll auch jene Unternehmungen, die die öffentliche Hand durch finanzielle oder sonstige wirtschaftliche oder organisatorische Maßnahmen tatsächlich beherrscht, prüfen können, selbst wenn sie weniger als 50 Prozent der Anteile hält.
Die Bundesregierung soll gemeinsam mit dem Rechnungshof unter Beiziehung der Länder sowie des Städte- und Gemeindebundes ein neues abgestuftes Prüfkonzept für die Gemeinden erarbeiten. Ziel dieses Konzepts ist eine Neufestlegung der für die Prüfzuständigkeit des Rechnungshofs maßgeblichen Einwohnerzahlen der Gemeinden oder ihrer ökonomischen Kennzahlen, sowie eine Vermeidung von Mehrfachprüfungen.
Weiters wurde vereinbart, die Arbeiten im Geschäftsordnungskomitee des Parlaments zur Ausgestaltung der Untersuchungsausschüsse als Minderheitsrecht zu beschleunigen. Das Ziel ist die Einigung auf die Ausgestaltung als Minderheitsrecht noch im ersten Quartal 2010. Als Orientierungshilfe wurden die Regelungen des deutschen Bundestages ins Auge gefasst.
Alle Beteiligten - sowohl SPÖ und ÖVP, als auch BZÖ und Grüne - zeigten in diesen Gesprächen den Willen, zu Lösungen zu kommen, und die Fähigkeit, Kompromisse einzugehen.
Josef Cap ist Klubobmann der SPÖ im Parlament.