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Ressortchef Wilhelm Molterer hat zu den Agenden der Land- und Forstwirtschaft sowie des Gewässerschutzes auch die Kompetenzen über das Umweltministerium bekommen. Wie er eine Brücke zwischen | Agrarindustrie und nachhaltiger Umweltpolitik schlagen will, skizzierte er in seinem ausführlichen Gespräch mit der "Wiener Zeitung".
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Wiener Zeitung: Sowohl Bauernbund als auch die Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammer haben sich über den agrarischen Teil des Regierungsprogrammes sehr zufrieden gezeigt. Was haben Sie
bei den Verhandlungen für die Bauern erreicht?
Wilhelm Molterer: Erstens wollen wir das bäuerliche Modell der Landwirtschaft in Österreich absichern und nach Europa exportieren. Wir wollen dieses auch zur Grundlage der weltweiten
Agrarverhandlungen im Rahmen der WTO machen. Zweitens wollen wir die budgetären Rahmenbedingungen zur Sicherung der Agenda 2000, sowie deren Möglichkeiten für die Landwirtschaft und den ländlichen
Raum, über die Legislaturperiode außer Streit stellen. Drittens wollen wir faire Wettbewerbsbedingungen für die Bauern. Dort wo wir deutlich höhere Kosten haben als in Europa, sollen
Kostenentlastungen · z. B. bei den Betriebsmitteln · vorgenommen werden.
WZ: Wieviele Milliarden Schilling wird das ausmachen?
Molterer: Das sind sechs Milliarden Schilling, die im Durchschnitt pro Jahr seitens des Bundes zur Verfügung stehen. Und wir werden dann · weil wir uns auch in der Landwirtschaft budgetär nach der
Decke strecken müssen · in dieser Regierungsperiode zusätzliche Perspektiven erarbeiten.
Perspektiven
WZ: An welche Perspektiven denken Sie?
Molterer: Energie aus Biomasse und nachwachsende Rohstoffe sind ganz wichtige Projekte. Die gesamte Entwicklung des ländlichen Raumes, die auf europäischer Ebene beginnt. Wo wir in Österreich
schon eine Vorreiterrolle haben, werden wir diese ausbauen. Wir werden schrittweise den Sockelbetrag für die Bergbauern einführen und das Umweltprogramm ÖPUL verbessern.
WZ: Sie haben zu den Agenden der Land- und Forstwirtschaft, auch noch jene des Umweltschutzes bekommen. Für manche gibt es zwischen den Ressorts Unvereinbarkeiten. Wie sehen Sie die Probleme?
Molterer: Ich sehe es als grosse Chance, dass wir die Synergien nützen können, weil wir ein gemeinsames Ziel haben. Dieses heißt nachhaltige Sicherung der Lebensgrundlagen. Nun haben wir die
Verantwortlichkeit für Boden, für Wasser und Luft · die wichtigsten "Lebensmittel" · unter einer Kompetenz. Natürlich gibt es grosse Synergiemöglichkeiten, aber es gibt natürlich auch
Spannungsfelder. Die nicht neu sind, weil auch bisher die Frage des Gewässerschutzes in meiner Zuständigkeit gelegen ist. Es ist eine grosse Chance, dass wir Landwirtschaft und Umweltschutz im
gemeinsamen Interesse weiterentwickeln. Ich weiß ganz genau, dass ich unter Beobachtung stehe. Aber nicht so wie die Öffentlichkeit es meint, nur einseitig. Die Umweltgruppierungen sagen: Jetzt
werden wir ihn abtesten. Die Landwirtschaft sagt dies ebenso. Zu glauben, dass dieses Spannungsfeld einseitig ist, ist eine Illusion. Ich bin zumindest von diesen beiden Seiten durchaus kritisch
beäugt.
Offensiv für die Umwelt
WZ: Welches Ressort wird sich durchsetzen?
Molterer: Es gibt nur ein Ressort, und das heißt Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft. Die Frage "Wer setzt sich durch" gibt es nicht, sondern ich bin Ressortverantwortlicher für
alle Bereiche, und es ist meine Aufgabe alle Verantwortlichkeiten in diesem Ressort optimal zu erfüllen. Das heißt, die Umweltpolitik offensiv zu gestalten. Gerade im Bereich der Wasserwirtschaft
kann man zeigen, dass es in einem vernünftigen Miteinander gelingt, positive Entwicklungen zu erreichen. Die Erfolge der letzten Jahre im Gewässerbereich zeigen, dass das möglich ist. Die
Forstwirtschaft ist ein klassisches Beispiel, wo es überhaupt nicht anders geht als Ökologie und Ökonomie zusammenzuführen · wenn man nachhaltig wirtschaften will.
WZ: Die Landwirtschaft ist doch Hauptverursacher der Nitratbelastungen im Grundwasser?
Molterer: Das ist eine völlig eindimensionale Darstellung, die so nicht stimmt. Die Belastungen im Grundwasser haben viele Ursachen, eine davon ist die Landwirtschaft. Wer allerdings sagt: Die
Landwirtschaft hätte damit nichts zu tun, würde auch nicht die Wahrheit sagen.
WZ: Die Grundwasserproblematik ist nur eine von vielen, es gibt noch andere. Zum Beispiel die Monokulturen in der Landwirtschaft, welche die Artenvielfalt bedrohen.
Molterer: Das stimmt nicht. Das sind Vorurteile, weil wir gerade in der österreichischen Landwirtschaft in den letzten Jahren eine Entwicklung der Ökologisierung genommen haben, um die uns viele
beneiden. Es kommen europäische Länder nach Österreich um zu sehen, wie wir das machen. Wir haben mit dem flächendeckenden Umweltprogramm ÖPUL, an dem praktisch 90 Prozent der landwirtschaftlich
genutzten Fläche teilnehmen, ein Programm entwickelt, das einen Öko-Standard definiert, von dem andere Länder nur träumen können.
WZ: Wieviele Biobauern gibt es in Österreich?
Molterer: Wir haben etwa 10 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche, die biologisch bewirtschaftet werden. Ich würde es für völlig falsch halten eine Agrarpolitik zu machen, die sagt: "Wir
forcieren den Biolandbau und der Rest ist uns egal." Ich möchte, dass die Ökologisierung der Landwirtschaft flächendeckend stattfindet, und das der Biolandbau die Spitze einer Entwicklung ist. Der
Biolandbau wird auch über die Absatzmöglichkeiten der Bioprodukte definiert, und diese haben eine gewisse Grenze · weil ganz offensichtlich nicht jeder diese Produkte kauft.
Bio ist bio
WZ: Es gibt massive Kritik der Biobauernverbände, die meinen: Für die Werbung wird das Bild des biologischen Landbaus propagiert, die Realität der österreichischen Landwirtschaft sieht aber
leider anders aus. Sie fühlen sich nicht genügend unterstützt, im Verhältnis dazu wie ihr Image vermarktet wird.
Molterer: Ich bin für klare Grenzziehungen: Bio ist bio, und konventionell ist konventionell. Gerade im Interesse der Biobauern sind diese Grenzen, auch dort wo sie in Diskussion waren · es hat
ein Problem mit der AMA-Werbung gegeben · wieder klar definiert. Und das hat sich in einem Gespräch zwischen Biobauern und der AgrarMarkt Austria klären lassen. Ich verstehe die Biobauern und
unterstütze sie auch in ihrem Wunsch nach klaren Werberichtlinien. Nur, was ich sicher nicht zulasse, ist eine Grenzziehung, die befindet: die Biobauern sind die Guten und der Rest nicht. Wir
produzieren in Österreich aber insgesamt auf einem hohen Niveau.
WZ: Wollen Sie die Landwirte zum Biolandbau bewegen?
Molterer: Unter meiner Ministerschaft haben wir den Anteil der Biobauern von 2000 auf 20.000 erhöht. Ich mache aufmerksam, dass die Frage der Biolandwirtschaft nicht vom Absatz zu trennen ist.
Auch hier ist der Markt nicht außer Kraft zu setzen. Wir haben derzeit ein Problem: es gibt mehr Bioprodukte als Konsumenten.
WZ: Ist das nicht eine Frage der Preise?
Molterer: Aus meiner Sicht ist das ein falscher Zugang. Im wesentlichen ist es eine Frage der Logistik und Organisation. Es kann nicht sein, dass Bioprodukte zum selben Preis angeboten werden, wie
konventionelle Ware. Ich würde das auch für ein falsches Signal halten.
WZ: Die Preise sind nicht nur Sache des Marktes, sondern werden auch mit staatlichen Fördermaßnahmen geregelt.
Molterer: Das tun wir auch. Sie wissen, dass die Biobauern aus dem gesamten Fördertopf, ein Volumen von etwa 1,3 Milliarden Schilling haben · das ist nicht wenig.
WZ: Wie hoch ist das Volumen des gesamte Fördertopfes? Und wie hoch ist das ausverhandelte Budget für die Landwirtschaft?
Molterer: Das Volumen des Fördertopfes beträgt etwa 18 Milliarden Schilling. Das Landwirtschaftsbudget hat ein Niveau von mehr als 23 Milliarden Schilling.
Alternative Förderungen
WZ: Viele Biobauern stört, dass sie nur nach Fläche gefördert werden. Sie würden einen Sockelbetrag oder eine Förderung pro Arbeitskraft wünschen.
Molterer: Wir haben im Jahr 1995 versucht einen Sockelbetrag für den Biolandbau einzuführen, es ist aber seitens der Union abgelehnt worden. Wenn eine ökologische Leistung erwartet wird, muss
diese Leistung auch nachgewiesen werden. Und wir müssen jeden Fördersatz genau berechnen und der Kommission nachweisen. Die ökologische Leistung kann ich nach Fläche bewerten. Wir haben einen kleinen
Ansatz entworfen, der besagt: wir helfen den Bauern mit dem Biokontrollzuschuss, und der ist limitiert. Relativ gesehen profitieren kleinere Betriebe davon mehr als grosse. Aber ein Sockelbetrag aus
dem Umweltprogramm ÖPUL ist EU-rechtlich nicht realisierbar.
WZ: Wie beurteilen Sie die Förderung nach Arbeitskräften?
Molterer: Das ist kein Umweltprogramm. Natürlich gibt es die Debatte, um die Frage des Arbeitskräftebesatzes. Ich habe auch einen Forschungs- und Entwicklungsauftrag in meinem Ministerium zu
diesem Themavergeben, weil ich weiß, dass wir die Komponente der Arbeitskräfte in die Förderungen einbeziehen müssen. Ein Gedanke kann verwirklicht werden, das ist die Einführung eines Sockelbetrages
für Betriebe im Berggebiet. Das ist schrittweise ab dem nächsten Jahr im Rahmen der Agenda 2000 möglich. Sicher wird der Gedanke des Arbeitskräftebesatzes in Zukunft eine größere Rolle spielen.
WZ: Wandern nicht immer mehr Arbeitskräfte aus der Landwirtschaft ab?
Molterer: Wir haben seit vielen Jahren die Entwicklung, dass in Österreich aufgrund der Betriebsstruktur · der Kleinheit der Betriebe · etwa zwei Drittel der Betriebe im Nebenerwerb bewirtschaftet
werden. Und das ist aus meiner Sicht auch eine vernünftige Struktur, weil die Stabilität einer Region mit großen Einheiten nicht erhalten werden kann. Deshalb ist das kombinierte Einkommen etwas
Selbstverständliches.
WZ: Von der Landwirtschaft zur Luftverschmutzung. Im Rahmen des Kyoto-Protokolls wurde eine Verringerung der Schadstoffemissionen angepeilt. Wie soll Österreich die Kyoto-Ziele erreichen?
Molterer: Wir haben uns mit der Unterzeichnung zu einer Reduktion auf 13 Prozent verpflichtet. Derzeit ist die Phase der Evaluierung, in der verschiedene Maßnahmenbündel angeschnitten werden. Die
nächste Etappe wird sein, dass ich mit allen Gebietskörperschaften dieses Programm durchgehe und frage: "Wie kann mit vorhandenen Strukturen etwa der Wohnbauförderung, durch Adaption der
Finanzierungsinstrumente ein Beitrag zur Erreichung des Kyoto-Zieles geleistet werden?" Innerhalb der Union müssen wir klären, wie wir die flexiblen Instrumente einsetzen, dabei ist der
Zertifikathandel angesprochen. Es ist noch eine ungeklärte Frage, wie dies künftig geregelt wird.
WZ: Sie haben vor, den Steuersatz auf Diesel für Landwirte zu reduzieren. Dann könnten die Landwirte in ihre Traktoren Heizöl, das einen dreimal höheren Schwefelgehalt hat, tanken. Stimmt das?
Molterer: Das stimmt nicht, da ist ein Missverständnis entstanden. Wir haben uns das Ziel gesetzt, die Mineralölsteuerbelastung des Diesels auf jene von Heizöl Extra Leicht zu senken. Ich gehe
davon aus, dass Diesel jener Kraftstoff ist, der auch in Zukunft in der Landwirtschaft eingesetzt wird.
Verteilungsdebatte
WZ: Es gibt Statistiken die aufzeigen, dass nur 25 Prozent der Bauern rund 75 Prozent der Fördermittel bekommen. Ist das im Sinne der Verteilungsgerechtigkeit oder wäre es sinnvoll einen
anderen Verteilungsschlüssel anzudenken?
Molterer: Die Verteilungsdebatte mit der Förderung ist gegeben. Österreich hat bei den Verhandlungen zur Agenda 2000 eingebracht, die Marktordnungsprämien nach Betriebsgrössen degressiv zu
staffeln. Leider hat die Hälfte der europäischen Staaten diesen Vorschlag abgelehnt. Ich bin aber sicher, dass diese Debatte auf EU-Ebene weitergeführt wird. Und Österreich wird auch weiter in diese
Richtung wirken. Allerdings haben wir in Österreich bereits Staffelungen, wo es möglich war, gemacht. Etwa ist die Bergbauernförderung von der Betriebsgrösse abhängig und degressiv gestaltet, wir
haben im Umweltprogramm eine Degression verwirklicht.
WZ: Noch eine persönliche Frage: Bevorzugen Sie selbst biologische Lebensmittel?
Molterer: Soweit das möglich ist, mach ich das. Ich bin als Konsument auch von den Einkaufsmöglichkeiten bestimmt.