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Lebensmittel als Luxusgut

Von Herbert Hutar

Wirtschaft

Hoher Reispreis stürzt Millionen in Armut. | Rohstoffe: Beliebt als Alternative bei Anlegern. | Wien. Agrarkonzerne verdienen Milliarden, Argentinien erlebt einen Soja-Boom, und so mancher kleine Spekulant freut sich über die Kurssteigerungen seines Rohstoff-Zertifikats. Soweit die eine Seite. Für viele arme Länder werden die Rekordpreise für Lebensmittel jedoch bedrohlich. In zahlreichen Ländern ist es bereits zu Hungerrevolten gekommen.


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Wie ein Land in die Nahrungsmittelkrise stolpern kann, hat der UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, der Schweizer Jean Ziegler, analysiert: Bauern in Entwicklungsländern wurden bei der Produktion von Exportgütern unterstützt, gleichzeitig wurden Nahrungsmittel auf dem Weltmarkt eingekauft. So deckt Mali seinen gesamten Reisbedarf aus Importen - leicht auszumalen, was das bedeutet, wenn der Preis in kurzer Zeit um über die Hälfte auf 1000 Dollar die Tonne steigt.

Viel trägt dazu bei, dass wichtige Reisexporteure wie Indien, Vietnam oder Indonesien ihre Lieferungen eingeschränkt haben, um die eigene Bevölkerung besser zu versorgen. Der wichtigste Reisexporteur, Thailand, hat die Exportbeschränkungen nun gestoppt und will heuer mehr als 2007 (9,6 Millionen Tonnen) ausliefern.

Größter Reisimporteur sind die Philippinen. Präsidentin Gloria Arroyo hat die Versorgungskrise zur Chefsache erklärt und droht Spekulanten mit Gefängnisstrafen. Auf der anderen Seite kann so manch armer Reisbauer in Thailand plötzlich seine Schulden zahlen. Die Sorgen sind nicht auf Asien beschränkt, auch Ägypten und andere afrikanische Länder sind betroffen, in Haiti gab es schwere Unruhen. Wenn Reis um 10 Prozent teurer wird, stürzen allein in Indonesien zwei Millionen Menschen in Armut, so Weltbankpräsident Robert Zoellick.

Das UNO-Welternährungsprogramm WFP benötigt eine halbe Milliarde Euro, um Millionen notleidende Menschen zu versorgen. Erst die Hälfte wurde zugesagt, und UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon macht Druck: "Versprechen füllen keine Bäuche".

Biosprit und Spekulationen

Weitere Ursachen für explodierende Agrarpreise: Die immer deutlichere Konfrontation zwischen Nahrungs- und Biospritproduktion, wie das Beispiel Mexiko zeigt, wo die Preissteigerungen für die Tortillas aus Maismehl zu massiven Protesten führten.

Heftige Kritik trifft daher die USA wegen des umfangreichen, von der Regierung Bush geförderten Biosprit-Programms: US-Farmer bauen immer mehr Mais und Soja an, die sie profitabel zu Biosprit verarbeiten. Ein Fünftel der US-Agrarproduktion fließt in den Tank. Der Weizenanbau hingegen ist dramatisch zurückgegangen. Viele Entwicklungsländer haben sich in der Vergangenheit auf die Lieferung von Überschussweizen aus den USA verlassen - damit ist jetzt aber Schluss.

Spekulation verschärft die Lage. Rudolf Kunisch, Präsident der Wiener Agrarbörse, schätzt, dass rund zwei Prozent des internationalen Agrarhandels vor allem an den Terminbörsen auf Spekulation entfallen, hinter der kein echter Bedarf nach Agrarprodukten steht. Der Anteil der Spekulationsgeschäfte an den Ölmärkten soll 10 Prozent ausmachen. Nicht viel auf den ersten Blick, aber genug, um die Preise anzuheizen.

In Südamerika freuen sich Soja-Produzenten über steigende Preise für Soja als Tierfutter und Tierzüchter über steigende Rinderpreise. Die Rekordpreise haben dem weltgrößten Agrarchemiekonzern, Syngenta, um fast 30 Prozent höhere Umsätze allein im ersten Quartal beschert. Auch die US-Konkurrenten der Schweizer, Monsanto und DuPont, erhöhten zuletzt ihre Prognosen.

Rohstoffe gelten als willkommene Alternative für große und kleine Anleger bei einem brustschwachen Dollar, bei abstürzenden Aktienkursen oder bei Länderfonds, von denen man lange gehofft hat, sie könnten sich den schlechten Nachrichten aus den USA entziehen - vergebens, wie sich zeigt.

Das Angebot in Österreich ist unterschiedlich, es teilt sich in Fonds und Zertifikate. Die Fonds-palette reicht von reinen Energie- bis zu reinen Agrarfonds. Der Spezialist für Fondsanalyse im Internet, die Firma e-fundresearch, zählt 45 Rohstoff-Aktienfonds. Sie haben in den letzten drei Jahren im Schnitt je 17 Prozent pro Jahr zugelegt, seit Beginn 2008 aber fast 10 Prozent verloren. Reine Rohstoff-Fonds gibt es 35, so Christian Schreckeis von e-fundresearch, sie sind erst kurz auf dem Markt und legten seit Jahresbeginn 7 Prozent zu.

Heimische Anlageprodukte

Heimische Institute haben Aktienfonds mit Rohstoffhintergrund, größtenteils Energie und Metalle, im Wert von 270 Millionen Euro aufgelegt. Bei den rund 60 Zertifikaten, die direkt die Rohstoffpreise widerspiegeln, schätzt das Zertifikate Forum Austria das Anlagevolumen auf 400 Millionen Euro. Geschäftsführer Friedrich Strobl, zugleich Volksbank-Manager, ist stolz darauf, dass die Volksbanken schon seit 2002 Rohstoff-Anlageprodukte anbieten. Gold und Rohöl seien Dauerbrenner. Die Nachfrage nach Zertifikaten auf sogenannte Soft Commodities, also Weizen oder Kaffee, steigt seit letztem Herbst extrem. Raiffeisen bietet eine breite Palette von Zertifikaten auf Agrarrohstoffe an, von Kaffee über Weizen und Zucker bis zu Soja. Neben anderen internationalen Investmenthäusern und Banken bietet auch Goldman Sachs Spekulationspapiere auf Mais, Weizen, Zucker oder Kaffee.

Die Bank Austria verweist auf das Angebot der Pioneer-Investments, Getreide oder andere Agrargrundstoffe sind aber kaum dabei. Die Erste Bank beschränkt sich bei Zertifikaten auf Öl, Gold und Silber, bei Aktienfonds auf Unternehmen aus dem Energie- und Metallbereich sowie aus dem Agrarbereich, vom Traktoren- bis zum Düngerhersteller.

Stellt sich die Frage: Ist es vertretbar, sich an den weltweit steigenden Lebensmittelpreisen auf Kosten der Menschen in den Entwicklungsländern zu bereichern, die Preise durch das eigene Investment weiter anzuheizen? Wolfgang Pinner, Fachmann für ethisch-nachhaltiges Investment in der Erste Bank, sagt: "Das wäre ethisch ein Problem."