VKI rät: Solche Werbeaussagen kritisch hinterfragen. | Geschmacksumwandler gewinnen enorme Bedeutung. | Wien. Aufschriften wie "ohne Geschmacksverstärker" oder "ohne Aromen" zieren viele Lebensmittelverpackungen. "Solche Werbeaussagen sind immer kritisch zu hinterfragen", warnt Ernährungswissenschafterin Birgit Beck vom Verein für Konsumenteninformation (VKI).
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Mit der Naturbelassenheit von so angepriesenen Lebensmitteln ist es oft nicht weit her: Denn die Kennzeichnung "ohne Zusatz von Geschmacksverstärkern" heißt beispielsweise nur, dass keine Geschmacksverstärker im rechtlichen Sinne eines Lebensmittelzusatzstoffes beigefügt wurden, zum Beispiel Glutamat.
Trotzdem sind oft Zutaten mit geschmacksverstärkender Wirkung enthalten, wie der harmlos klingende Hefeextrakt. Dieser Extrakt enthält von Natur aus Glutaminsäure, deren Salze die Glutamate sind; er fällt aber nicht unter die Zusatzstoffe. In Tomaten, Parmesan und Sojasauce ist Glutaminsäure von Natur aus enthalten.
Billigzutaten kaschieren
Einerseits verwendet die Nahrungsindustrie Zusatzstoffe, um Lebensmittel länger haltbar zu machen, sie einzufärben und möglichst geschmacklich ansprechend zu machen. Andererseits versuchen Produzenten, teurere Inhaltssstoffe in möglichst geringem Anteil beizugeben und durch billigere Füll- oder Ersatzstoffe und durch den massiven Einsatz von Zusatzstoffen geschmacklich zu kompensieren, kritisiert Thilo Bode, der Gründer der deutschen Verbraucherorganisation Foodwatch, in seinem kürzlich erschienenen Buch "Die Essensfälscher". "Heute haben viele Lebensmittel eine Scheinqualität: Sie scheinen viel hochwertiger, als sie tatsächlich sind", schreibt Bode.
Zusatzstoffe sind vor allem in Säften und weiterverarbeiteten Produkten wie Fertiggerichten, Suppen und Soßen enthalten. Auch Light-Produkte kommen nicht ohne Zusatzstoffe aus, sagt Beck: Wird der Fettanteil in einem Joghurt reduziert, wird gleichzeitig der Zuckeranteil erhöht oder Süßstoff beigefügt, "damit es nach etwas schmeckt". Der wichtigste Zusatzstoff der Nahrungsindustrie ist Glutamat. Zwischen 1976 und 2009 hat sich der weltweite Absatz auf zwei Millionen Tonnen pro Jahr mehr als versechsfacht, schreibt Hans-Ulrich Grimm im Buch "Die Ernährungsfalle".
Für Konsumenten sollten Zusatzstoffe unschädlich sein, denn jeder Stoff wird vor seiner Zulassung in der EU geprüft. Rund 300 Zusatzstoffe hat die EU zugelassen, für Bioprodukte sind nur etwa ein Zehntel dieser Zusatzstoffe erlaubt. Dennoch können manche Zusatzstoffe bei empfindlichen Personen und Allergikern gesundheitliche Probleme wie Asthma oder Schwindelgefühle auslösen.
Manche Farbstoffe stehen zum Beispiel im Verdacht, bei häufigen und intensivem Verzehr der bunten Süßigkeiten oder Getränke Hyperaktivität und Lernstörungen auszulösen. Daher muss die Zugabe von Farbstoffen wie Sunsetgelb mit Inkrafttreten der neuen EU-Zusatzstoffverordnung seit Juli 2010 mit dem Hinweis "Kann Aktivität und Aufmerksamkeit bei Kindern beeinträchtigen" gekennzeichnet werden.
Aus sauer wird süß
Solche Warnhinweise führen dazu, dass Hersteller möglichst ohne deklarationspflichtige Stoffe auskommen wollen, um die Konsumenten durch saubere Etiketten ("Clean Label") zum Kauf zu bewegen. In Zukunft werde verstärkt nach Möglichkeiten und Substanzen gesucht werden, die eine vergleichbare Wirkung wie Zusatzstoffe haben, aber nicht als solche deklariert werden müssen, schreibt Emmerich Berghofer, Leiter des Instituts für Lebensmitteltechnologie an der Universität für Bodenkultur in Wien, in einem Bericht für das Gesundheitsministerium.
Eine enorme Bedeutung werden laut Berghofer Geschmacksmodulierer erlangen, die noch einen Schritt weiter als Geschmacksverstärker gehen: Diese kleinen Moleküle schmecken selbst nach nichts und entfalten schon in kleinsten Mengen ihre Wirkung. Saures wird in Süßes verwandelt, Geschmacksblocker unterdrücken den Bitter- und Süßgeschmack.
Das auf diesem Gebiet führende US-Unternehmen Senomyx hat laut eigenen Angaben schon Verträge mit PepsiCo, Nestlé und dem weltgrößten Suppenhersteller Campbell. Die neue EU-Verordnung kennt die Kategorie Geschmacksmodulierer jedoch nicht, in den USA müssen diese Substanzen ein weniger scharfes Zulassungsverfahren als Zusatzstoffe durchlaufen.
Zutatenliste genau lesen
Wie können sich Verbraucher nun informieren? Ernährungswissenschafterin Sabine Bisovsky rät Konsumenten, sich nicht auf Werbeslogans zu verlassen, sondern die Zutatenliste genau zu lesen. "Alle Zutaten müssen in absteigender Reihenfolge angeführt werden. An erster Stelle steht daher jene Zutat, von der mengenmäßig am meisten enthalten ist", sagt Bisovsky. Wenn die erwartete Hauptzutat nicht an erster Stelle stehe, sei auch davon nicht viel enthalten. Ein schlechtes Zeichen ist etwa, wenn bei Getränken Fruchtsaft erst nach Wasser und Zucker an dritter Stelle kommt. Je länger ein Lebensmittel ungekühlt haltbar ist und je billiger es ist, desto wahrscheinlicher enthalte es Zusatzstoffe. Wollen Konsumenten wenige Zusatzstoffe zu sich nehmen, sollten sie zu halbfertigen Alternativen greifen: Ein Pizzateig aus dem Kühlregal selbst belegt ist besser als eine Fertigpizza.