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Lebensmittelhandel zwischen Aktionismus und Wow-Effekt

Von Andrea Möchel

Wirtschaft
© fotolia/Benjamin Nolte

Die Diskonter holen in Sachen Qualität, Frische und Sortiment weiter auf.


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Wien. Preiskämpfe, Rabattschlachten, Schnäppchenkriege: Der heimische Lebensmittelhandel wird schon lange vom Kampf um jeden Kunden beherrscht - und von der Konkurrenz zwischen Supermärkten und Billigläden. "Für die Vollsortimenter im österreichischen Lebensmittelhandel brechen im Wettbewerb mit den Diskontern härtere Zeiten an", prognostiziert nun das Strategieberatungsunternehmen Oliver Wyman.

Grundlage für die Analyse ist eine Befragung von rund tausend österreichischen Verbrauchern. Die zentrale Erkenntnis lautet: Die Diskonter greifen mit Investitionen in den Filialen und im Sortiment zunehmend traditionelle Bastionen von Vollsortimentern wie Rewe & Spar an.

Vor allem bei der Frische können Billigläden zunehmend punkten. 53 Prozent der Diskonter-Kunden gaben an, dass das wichtigste Kriterium für die Wahl ihres Einkaufsorts die beste Qualität bei frischen Produkten sei. Bei Vollsortimentskunden lag dieser Anteil bei 61 Prozent. "Je zufriedener der Kunde mit der Frische, desto höher die Einkaufsfrequenz und desto größer der Warenkorb", bestätigt Rainer Will, Geschäftsführer des österreichischen Handelsverbands, der "Wiener Zeitung".

"Führende Diskonter haben in den vergangenen Jahren viel investiert, um die Lücke zum Vollsortiment zu schließen, etwa im Bereich Backwaren oder beim Bio-Sortiment", sagt Will. Das sei ein direkter Angriff auf die traditionellen Stärken der Supermärkte, die darauf mit mehr regionalen und biologischen Frischeprodukten, günstigen Eigenmarken sowie Innovationen im Convenience-Bereich reagieren würden. "Damit konnten die Marktführer im Lebensmitteleinzelhandel zuletzt allesamt Marktanteile gewinnen", verrät Will.

Dauertiefpreise vs. Aktionen

Das Markenzeichen der Diskonter sind aber weiterhin die Dauertiefpreise. Hier sind Hofer, Lidl und Penny laut Umfrage weiter ungeschlagen: 78 Prozent der Befragten attestieren ihnen die besten regulären Preise, nur 22 Prozent sahen hier einen Vorteil bei den Vollsortimentern. Bemerkenswertes Detail: 48 Prozent der Supermarktkunden stimmen der Aussage zu, dass dauerhaft niedrige Preise für die Auswahl des Einkaufsorts wichtiger sind als Aktionen. Bei den Diskonterkunden sehen das sogar 66 Prozent so.

Um der Erosion der Margen zu begegnen, würden die Vollsortimenter aktuell verstärkt in den Ausbau von Eigenmarken, in innovative Marktkonzepte und breite Sortimente investieren. Zugleich versucht man den Kundenstrom mit verlockenden Schnäppchenangeboten in die eigenen Supermärkte zu lenken. "Die Vollsortimenter versuchen den Dauertiefpreisen oft mit umfangreichen Aktionsprogrammen entgegenzuhalten. Allerdings sind die Kunden von dieser Strategie nicht überzeugt", warnt Wyman-Experte Nordal Cavadini vor übertriebenen Hoffnungen.

Schließlich konnten zuletzt auch die Diskonter ihre Aktionstätigkeit spürbar verstärken. Bei der Frage nach den attraktivsten Aktionen liegen sie mit 56 Prozent zu 44 Prozent deutlich vor den Vollsortimentern. Und das, obwohl Rewe & Spar Woche für Woche neue Aktionsangebote auf den Markt werfen - vom Rabatt-Markerl über Treueprämien bis hin zum 25-Prozent-Pickerl. "Generell sind vor allem jene Aktionen erfolgreich, bei denen sich der Kunde selbst aussuchen kann, was er günstiger haben möchte - also alle Sammel- oder Pickerl-Aktionen", ist Will überzeugt. "Aber auch Loyalty-Systeme werden populärer - online wie offline."

Hoffen auf den "Wow-Effekt"

Der Handelsverbandschef geht aktuell von einem durchschnittlichen Aktionsanteil von rund 30 Prozent aus. "Damit bieten die heimischen Händler im Vergleich zu anderen Ländern wie etwa Deutschland wesentlich mehr Rabatte an, was leider bei den heimischen Preisvergleichen häufig nicht mitberücksichtigt wird."

Will erwartet, dass die Aktionsanteile künftig nicht mehr weiter steigen werden. Bleibt die Frage, wie sich die Vollsortimenter angesichts der schwindenden Unterschiede zu den Diskontern künftig positionieren sollen. "Erfolgversprechende Differenzierungsstrategien sind zum Beispiel großflächige Filialen, ein Schwerpunkt auf Qualität und Service, die Verwendung hochwertigen Interieurs, sowie eine aufwendige Präsentation der Waren, um beim Kunden einen "Wow-Effekt" zu erzielen", rät Handelsexperte Will. "Kunden sind nämlich durchaus bereit, für ein Top-Einkaufserlebnis weitere Anfahrten und etwas höhere Preise in Kauf zu nehmen."