Getreide-, Kaffee- und Kakaopreise sind stark gestiegen. | Weltbank rechnet noch bis 2015 mit Preisschwankungen. | Folgen für Konsumenten unklar. | Wien. In den vergangenen Monaten sind die Lebensmittelpreise förmlich explodiert: Der Nahrungsmittelindex der UN-Landwirtschaftsorganisation FAO legte allein in der zweiten Jahreshälfte 2010 um rund 29 Prozent zu. Der Zuckerpreisindex stieg um 61 Prozent und Getreide schnellte um 46 Prozent nach oben. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Schlechte Ernten, geringe Nahrungsmittelreserven und verstärkte Spekulationen mit agrarischen Rohstoffen haben die Preise explodieren lassen, so Fachleute.
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Das Hochwasser in Australien und die Dürrekatastrophe haben kürzlich den Weizenpreis weiter nach oben getrieben, und auch die aktuell lockere Geldpolitik der US-Notenbank wird für den Rohstoff-Boom verantwortlich gemacht. Die aktuelle Situation ist aber nicht neu: Laut dem Agrarökonom der Weltbank-Tochter International-Finance-Corporation Richard Henry sind die weltweiten Vorräte an Grundnahrungsmitteln schon seit Anfang des Jahrtausends rückläufig und erreichten 2007 und 2008 dann ihre Tiefststände. "Wenn es dann irgendwo einen Ernteausfall gibt, hat das sofort gewaltige Folgen für die Preise", so Henry.
Schwere Folgen für die Hersteller
Für die heimischen Lebensmittelproduzenten ist die derzeitige Entwicklung ebenfalls nicht neu. "Wir beschäftigen uns schon seit langem mit diesem Thema", sagt Michael Blass vom Fachverband der Nahrungs- und Genussmittelindustrie zur "Wiener Zeitung". Seit 2008 habe die Industrie einen Anstieg der Rohstoffpreise erlebt, wie er "noch nie" vorhanden war. Für die Produzenten hat diese Entwicklung schwerwiegende Folgen: Einerseits sind sie mit den steigenden Preisen für Getreide, Palmöl, Kaffee, Kakao, Milchpulver und Saftkonzentrat konfrontiert, aber andererseits sei es sehr schwer, diese an den Handel weiterzugeben, erklärte Blass. In Österreich sei der Markt nämlich in der Hand der Ketten Rewe (Billa, Merkur, Penny, Adeg), Spar und Hofer, die zusammen "80 Prozent der Macht haben", sagte Blass. Neben den steigenden Rohstoffpreisen seien die Hersteller zusätzlich mit immer mehr Eigenmarken der Händler und der "Bestpreis-Garantie" konfrontiert. "Die Situation für die Händler hat sich dramatisch verschärft", so der Fachmann.
Für 2010 erwartet er einen Rückgang des Branchenumsatzes von rund fünf Prozent auf 6,9 Milliarden Euro, nach einem Umsatzrückgang von rund sieben Prozent im Jahr 2009. Für die Lebensmittelindustrie ist die Lage aber schon seit längerem angespannt. Seit dem EU-Beitritt Österreichs im Jahr 1995 ging die Anzahl der Betriebe von 346 auf 225 zurück, die Zahl der Beschäftigten sank von 35.500 auf 26.900.
Handel führt laufend Gespräche mit Industrie
Die aktuelle Rohstoffpreis-Hausse könnte auch Folgen für die Konsumenten haben. In Deutschland hat die Ernährungsindustrie bereits höhere Preise für Lebensmittel angekündigt. Ob und wann die gestiegenen Rohstoffpreise in den heimischen Regalen ankommen werden, ist derzeit aber noch unklar. "Es ist so, wie es immer ist. Wenn es auf den Märkten zu Erhöhungen kommen muss, wird verhandelt und gegebenenfalls angepasst", sagte Rewe-Sprecherin Corinna Tinkler. Sie betonte, dass der Handel aber ohnehin ständig in Gesprächen mit der Industrie sei. Auch Spar-Sprecherin Nicole Berkmann sagte, dass immer wieder Verhandlungen stattfinden. Dies sei ein "rollierender Prozess". Etwas anders wird die Situation von den Herstellern beurteilt: "Über kurz oder lang wird der Handel mit den gestiegenen Preisen konfrontiert - unabhängig davon, ob in Österreich oder in der Ukraine eingekauft wird", so Blass, der weiters sagte: "Die Eindeckung kann nur zu den Kosten erfolgen, die sich auf dem Weltmarkt bilden."
Und dieser ist nach wie vor sehr volatil: Die Weltbank rechnet noch bis 2015 mit deutlichen Preisschwankungen.