Wissenschafter aus Österreich zählen zu den international führenden Experten. | Moderne Methoden ermöglichen Patienten unauffälliges Leben. | Wien. Mit mehr als zehn Millionen Betroffenen ist die Herzinsuffizienz eine der häufigsten internistischen Erkrankungen in Europa. Weitere knapp 10 Millionen Menschen weisen bereits eine Herzmuskelschwäche ohne Symptome auf. Bei schweren Formen dieser Leiden werden eine Herztransplantation oder die Implantation eines Kunstherzens notwendig.
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1986 machten Herzmediziner der Zweiten Wiener Chirurgischen Universitätsklinik mit ihrem "New Vienna Heart" Furore. Es handelte sich damals um die erste erfolgreiche Überbrückung bis zu einer Transplantation in Europa. Mit einer pulsierenden Membran und Klappen, einem Herzen nachempfunden, wurde das New Vienna Heart anstelle des Herzens als Totalersatz implantiert und über eine externe Steuereinheit pneumatisch angetrieben.
Mit einer Festveranstaltung "25 Jahre Kunstherz" gedachten Medizin-Universität Wien (MUW) und Ludwig Boltzmann Gesellschaft (LBG) am Freitag der Pionierleistung von 1986. MUW-Rektor Wolfgang Schütz betonte: "Unser Forschungsziel in diesem Bereich ist es, verlässliche Langzeitunterstützungssysteme zu entwickeln. Die Experten den MedUni Wien kooperieren dabei weltweit mit den führenden Herstellern und Zentren und gestalten federführend die neuesten Entwicklungen mit. Die Ergebnisse zeigen, dass wir auf einem sehr guten Weg sind."
Claudia Lingner, LBG-Geschäftsführerin, verwies auf die 2005 im Zuge einer großen Reform erfolgte Zusammenlegung mehrerer Institute zum Ludwig Boltzmann Cluster Kardiovaskuläre Forschung. Es sei erfolgreich gewesen, "Ressourcen sinnvoll zu bündeln und Nachhaltigkeit in einem Kernbereich der LBG zu forcieren, der klinischen Forschung".
Erst vor drei Wochen schrieb man am Wiener AKH wieder Medizingeschichte. Die Einpflanzung einer künstlichen Herzpumpe rettete einem zehn Wochen alten, nur 5,5 Kilogramm schweren Mädchen, das mit einem schweren Herzfehler geboren worden war, das Leben. "Noch nie zuvor ist an einem so jungen Kind in Österreich eine solche Operation vorgenommen worden, auch weltweit wird das nur selten gewagt", erklärte dazu Günther Laufer, Chef der Abteilung für Herzchirurgie.
Kinder mit einer solchen Pumpe als Überbrückung, bis sich die normale Herzfunktion erholt oder ein passendes Spenderorgan auf Dauer implantiert werden kann, sind keine Seltenheit. Am Grazer LKH-Uniklinikum ist man stolz darauf, dass dort ein mittlerweile neunjähriger Bub 544 Tage mit einem externen Kunstherz überlebt hat.
Neue Implantate werden zur Dauerlösung
Die Herzchirurgen und Forscher am Wiener AKH zählen seit 1986 zu den weltweit führenden Spezialisten. Sie haben sich im Lauf der Zeit auf die Entwicklung, Erprobung und Verbesserung von Rotationspumpen konzentriert, wie sie heute weltweit eingesetzt werden. 1999 wurde in Wien weltweit erstmals ein Patient mit einer Rotationsblutpumpe entlassen, 2006 implantierte man das weltweit erste solche Gerät mit hydromagnetischer berührungsloser Lagerung.
Heute wird der komplette Ersatz nur mehr beim klassischen Herzversagen eingesetzt, wenn das Organ so schwer geschädigt ist, dass die neueren Kunstherzen mit unterstützender Pumpfunktion nicht genügen. Letztere werden in den linken Herzventrikel eingesetzt und funktionieren wie ein Turbolader, erklärt Georg Wieselthaler, Leiter der Wiener Kunstherzprogramms. "Das unterstützte Herz und der gesamte Organismus können sich so wieder erholen." Das ermöglicht auch die Ausübung von Sport und einen weitgehend normalen Alltag.
Blutschonende Kanülen für Knopflochchirurgie
Spenderorgane für eine Transplantation sind Mangelware, sie werden dank der neuen Turbinenpumpen nun erfreulicherweise oft gar nicht mehr gebraucht. Die neuen Implantate werden immer mehr zur dauerhaften Therapieoption: Sie können sich der jeweiligen situationsbedingten Herzbelastung relativ gut anpassen. Vor zehn Jahren überlebten weniger als die Hälfte der Patienten zwei Jahre ohne Spenderorgan, heute sind es in Wien 85 Prozent, international 80 Prozent.
Das modernste Kunstherz der Wiener Spezialisten ist nicht größer als ein Daumen. Es wird geräuschlos über eine fotokamera-große Batterie in einer Umhängetasche betrieben. Jetzt arbeitet man an besonders blutschonenden Kanülen für zukünftige Systeme, die mit Knopflochchirurgie implantiert werden sollen. Im Moment versorgt man am AKH Wien 35 Patienten mit Kunstherzen. Insgesamt wurden hier bisher mehr als 300 solche Implantationen durchgeführt.