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Lebenssaft für Europas Verfassung

Von Martyna Czarnowska

Europaarchiv

+++Voggenhuber-Duff-Bericht in Straßburg angenommen. | Nationale Parlamentspräsidenten lehnen Debatte ab.


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Straßburg. Johannes Voggenhuber frohlockt. "Die Verfassung ist nicht tot", stellte der Grüne EU-Abgeordnete klar. Es sei die Entscheidung des EU-Parlaments, "inmitten der Katzenmusik der Regierungen" die Debatte um das Vertragswerk voranzutreiben. Wie dies zu geschehen habe, legte Voggenhuber gemeinsam mit seinem Liberalen Kollegen Andrew Duff in einem Bericht dar. Gestern, Donnerstag, stimmten 385 Abgeordnete für die Resolution, 125 dagegen, und 51 enthielten sich der Stimme.

Öffentliche Debatte

Bis Ende 2007 sollen klare Entscheidungen in den drei EU-Institutionen Rat, Kommission und Parlament getroffen werden, 2009 könnte die Verfassung dann in Kraft treten. In der Zwischenzeit wünschen sich die EU-Abgeordneten eine breite öffentliche Debatte mit den nationalen Parlamenten sowie Gewerkschaften und Bürgern.

Eine Änderung der Verfassungstextes sowie eine neuerliche, diesmal EU-weite Volksabstimmung über das Dokument - wie von den Berichterstattern vorgeschlagen - lehnt eine Mehrheit im Parlament jedoch ab. Die großen Fraktionen hatten sich bereits im Verfassungsausschuss dagegen ausgesprochen.

Die Verfassung in ihrer jetzigen Form sei das "beste, was derzeit am Markt ist", erklärte ÖVP-Abgeordneter Reinhard Rack in der parlamentarischen Debatte. Auch SPÖ-Delegationsleiterin Maria Berger hält einen "kompletten Neubeginn" nicht für notwendig.

Dass jedoch "substantielle Maßnahmen" zu ergreifen sind, da der Ratifizierungsprozess nach der Ablehnung des Vertrags in Frankreich und den Niederlanden auf große Probleme gestoßen ist, ist den Abgeordneten bewusst. Weniger klar ist jedoch, was nun zu tun ist. So hofft Duff, dass mit dem Beginn der Debatte sich der Druck zu einer Verbesserung des Verfassungstextes erhöhen wird. Mit den bestehenden Verträgen sei nach der Aufnahme Bulgariens und Rumäniens eine künftige Erweiterung der Union nicht möglich.

Eine Änderung des Dokuments scheint auch für einige Staats- und Regierungschefs in Frage zu kommen. So hat der niederländische Außenminister Bernard Bot bereits mehrmals vor einem Festhalten an dem Dokument in seiner jetzigen Form gewarnt. Und Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac plädierte dafür, lediglich Teile der Verfassung zu adaptieren.

Österreich wiederum will das Ende der Reflexionspause abwarten, die sich die Staats- und Regierungschefs verordnet haben. In seiner Rede vor dem EU-Parlament hat Bundeskanzler Wolfgang Schüssel zwar von der Notwendigkeit einer Zukunftsdebatte gesprochen - das Wort Verfassung allerdings nicht in den Mund genommen.

Schon bei der Debatte selbst könnte das EU-Parlament auf Schwierigkeiten stoßen. So haben die Präsidenten des österreichischen, des finnischen und des deutschen Parlaments, Andreas Khol, Paavo Lipponen und Norbert Lammert, die geplanten Diskussionsforen abgelehnt. Die Nationalversammlungen hätten nicht die ausreichenden Ressourcen, "um sich auf einen so langen Prozess einzulassen", schrieben sie an EU-Parlamentspräsident Josep Borrell.

Für Voggenhuber ist der Brief ein Versuch, eine EU-weite Parlamentarisierung des Prozesses zu unterminieren. Die Parlamentspräsidenten machen sich zum Instrument ihrer Regierungen, findet der Abgeordnete. Denn die Staats- und Regierungschefs wollen dem EU-Parlament nicht mehr Macht zugestehen, wie es in der Verfassung vorgesehen wäre.