Mediziner lassen gesundes Gewebe zu einer neuen Leber heranwachsen.
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Wien. Wenn jemand an einem Lebertumor erkrankt, hilft nur eine Operation. Doch gerade wenn der Tumor weiter fortgeschritten ist, kann eine solche ein lebensgefährlicher Eingriff werden, weil sich ein Leberversagen einstellen kann. Und das ist nicht selten - etwa zehn Prozent der Patienten sterben bei einer schweren Leberoperation. Das große Problem: Die Chirurgen können vorab nicht bestimmen, wer besonders gefährdet ist, denn die Leberwerte verraten darüber nichts.
"Es war bis jetzt quasi nicht möglich, die Enzymleistung der Leber zu messen, die bei einer Schädigung vermindert sein kann", sagt Martin Stockmann, Privatdozent an der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie der Charité in Berlin. Zusammen mit seinen Kollegen hat Stockmann deshalb eine Art TÜV für die Leber entwickelt: den Limax-Test. Das Kürzel steht für maximale Leberfunktion und stellt das Organ sozusagen auf den Prüfstand.
Entgiftungs-Enzym unterstützt die Behandlung
Vor dem Test bekommen die Patienten die Substanz Methacetin gespritzt - ein harmloses Molekül, das von der Leber schnell zu Paracetamol und CO2 abgebaut wird. Und zwar von einem sehr wichtigen Entgiftungs-Enzym in der Leber. Um zu sehen, wie fleißig das Enzym arbeitet, legt Stockmann den Patienten nach der Injektion eine speziell konstruierte Atemmaske auf, die ihre Atemluft analysiert. Nun enthält das Methacetin eine ganz besondere Form des Kohlenstoffs - nämlich das nicht radioaktive, isotopenmarkierte Kohlendioxid 13CO2. Mit Hilfe eines Infrarot-Lasers kann man dieses analytisch ganz leicht von dem beim normalen Ausatmen austretenden 12CO2 Kohlendioxid unterscheiden. Anhand der Konzentration des ausgeatmeten 13CO2 in der Atemluft kann Stockmann dann genau einschätzen, wie leistungsstark die Leber noch ist.
Schon heute wird der Limax-Test in der Charité eingesetzt, um Patienten mit einem besonders hohen Operationsrisiko vorab zu erkennen. Ihnen können die Chirurgen dann verschiedene Möglichkeiten anbieten, wie nur ein kleineres Stück der Leber zu entfernen oder die Leber "aufzutrainieren". Zum Auftrainieren bedienen sich die Leberexperten eines Tricks: Da die Leber im Wesentlichen von der Pfortader versorgt wird, die sich in eine linke und einer rechte Pfortader aufgabelt, stechen sie in die Ader, die die kranke Leberhälfte versorgt, und verstopfen sie über einen Katheter mit Partikeln. Dadurch ist sie von der Durchblutung größtenteils abgeschnitten und schrumpft, geht aber nicht ganz zugrunde, weil sie noch von einer kleineren Arterie versorgt wird.
Währenddessen fängt die andere Leberhälfte zu wachsen an, um die anstehenden Stoffwechselvorgänge zu bewältigen. "Wenn dann nach drei, vier Wochen aus der gesunden Leberhälfte eine große neue Leber gewachsen ist, kann ich bei der Operation von der erkrankten Leberhälfte wesentlich mehr abschneiden und so den Tumor wesentlich sicherer und besser ausmerzen", sagt Stockmann. Geht alles gut, unterscheidet sich die operierte Leber schon nach zwei bis drei Monaten nicht mehr von der Leber eines gesunden Menschen.