In Österreich geht nur in Opposition, wer muss oder wer auch sonst nichts mehr zu verlieren hat.
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"Kennen Sie die ÖVP? Ich kenne sie gut, und ich kann mir nicht vorstellen, dass die Volkspartei freiwillig in Opposition geht." Also sprach der SPÖ-Vorsitzende Werner Faymann zur "Wiener Zeitung" wenige Tage vor der Nationalratswahl.
Tatsächlich hat die ÖVP die letzten 22 Jahre ohne Unterbrechung regiert. Wie sehr das Regieren zum Selbstverständnis der ÖVP gehört, mag man daran ermessen, dass Wolfgang Schüssel 1999 sogar mit dem Gang in die Opposition drohte, sollte seine Partei nur Dritter werden.
Das wurde sie zwar, doch statt seine Drohung wahr zu machen, wurde Schüssel lieber Kanzler und verbannte die SPÖ auf die Oppositionsbank.
Kein Wunder, dass kein Beobachter und schon gar nicht die politischen Gegner die Wortmeldungen aus der ÖVP, die für den Gang in die Opposition plädieren, besonders ernst nehmen. In Österreich geht nur in Opposition, wer unbedingt muss oder sich davon Vorteile erhofft.
Ersteres widerfuhr der SPÖ im Jahr 2000, letzteres trifft nur auf jene Gliederungen der Parteien zu, die nichts mehr zu verlieren haben. Wer auch im Land nur Juniorpartner oder in Opposition ist, profitiert auch nicht, wenn der Bund den Ländern die Wünsche von den Augen abliest. Wenn daher die steirische ÖVP jetzt zum Gang in die Opposition aufruft, dann hat sie zuallererst die Rück-eroberung der Macht im Land 2010 im Sinn.
Das letzte Mal, als sich die ÖVP aus der Regierung verabschiedete, war 1970. Die Zeit der Verbannung von den Schalthebeln und Futtertrögen der Macht sollte bis 1986 dauern. Wer in der Volkspartei diese Phase erlebt hat, weiß: Das war kein Spaß. Zumal die eigene Kernklientel - Bauern, Beamte, Wirtschaft - dank der Sozialpartnerschaft Wege hat, die eigenen Interessen berücksichtigt zu wissen. Nur eben unter Umgehung der eigenen Partei.
Natürlich fällt die programmatische Erneuerung leichter, wenn man nicht im täglichen Regierungshandeln viele Offenbarungseide schwören muss. Möglich auch, dass sich heutzutage leichter Wahlen aus der Opposition gewinnen lassen. Aber diese vagen Zukunftsversprechungen entschädigen aus Sicht von SPÖ und ÖVP nicht für die sicheren Entbehrungen der Gegenwart.
Das beginnt bereits beim Nachdenken: Die Parteizentralen sind intellektuell ausgedünnt. Dort sitzen keine Menschen, die über Zukunft nachdenken, sondern allenfalls Handwerker des politischen Alltags. Auch die Parteiakademien haben ihren Status als Quer- und Vordenker verloren. Dort wird allenfalls noch handwerklich geschult und bei Bedarf rasch ein paar Konzepte für die diversen Schubladen verfertigt.
Regieren erlaubt demgegenüber nicht nur, die Dinge nach eigenem Bleiben zu gestalten, sondern gibt auch Zugriff auf die beträchtlichen - finanziellen wie personellen - Ressourcen der Ministerien. Wer will es Faymann verdenken, wenn er den Oppositionsansagen der ÖVP keinen Glauben schenkt?