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Zumindest in einem haben sich die Beobachter aus den EU-Beitrittsländern rasch den Gepflogenheiten im Europaparlament angepasst. Inzwischen sind auch die meisten Gast-Parlamentarier längst aus Straßburg abgereist. Wie immer am letzten Sitzungstag harrten vergangene Woche nur noch einige wenige EU-Volksvertreter aus, um über Menschenrechte in der Demokratischen Republik Kongo und die eingeschränkte Religionsfreiheit in Vietnam zu diskutieren. Dass aber auch sonst viele Debatten in der gewählten Volksvertretung der Europäischen Union vor weit gehend leeren Bänken stattfinden, erstaunt manche der Neulinge doch etwas. "Erst wenn die Klingel für die Abstimmung ertönt, rennen alle schnell ins Plenum", hat Monika Benova beobachtet. Die 34 Jahre alte slowakische Sozialistin gehört zu den 163 Abgeordneten aus den zehn Beitrittsländern, die sich bis zur EU-Erweiterung im Mai 2004 mit dem komplizierten Räderwerk des Europaparlaments vertraut machen sollen. Noch sei alles etwas verwirrend, meint der zypriotische Liberale Marios Matsakis. Immer wieder habe er sich in den schier endlosen Gängen des riesigen Straßburger Glaspalasts verlaufen. "Das ist hier wie das Labyrinth von Knossos und ich kann nur hoffen, dass ich eine Ariadne mit dem roten Faden finde", witzelt der 49-Jährige.
Mit der Orientierung klappe es noch nicht ganz, räumt auch der frühere slowenische Regierungschef und Außenminister Alojz Peterle ein, der nun als Beobachter in der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) sitzt. Verwirrend für viele Newcomer ist vor allem die Art und Weise, wie in der multinationalen Versammlung Debatten verlaufen und Beschlüsse zu Stande kommen. Denn im Gegensatz zu nationalen Parlamenten kennt die EU-Volksvertretung keine Aufteilung in Regierungslager und Opposition. Stattdessen spielen oft nationale Interessen über Fraktionsgrenzen hinaus eine Rolle.
"Das hat man bei der Irak-Debatte gemerkt", meint Eleni Mavrou von der linken "Fortschrittpartei des werktätigen Volkes Zyperns" (AKEL). Manche Briten hätten den Irak-Krieg auf eine Weise gerechtfertigt, die "in unserem Parlament alle schockiert hätte". Immerhin zeige sich in Straßburg auch, dass Abgeordnete aus unterschiedlichen Ländern zusammenarbeiten und dabei nationale Egoismen zurückstellen können. "Das stimmt mich optimistisch", betont die 42 Jahre alte Ingenieurin.
Die Arbeit in den Ausschüssen sei für die Beobachter ohnehin interessanter, betont die Slowakin Petra Masakowa. Denn da dürften sie auch mitreden und nicht nur zuhören, wie im Plenarsaal. Die 29-jährige Dolmetscherin ist Mitglied im Entwicklungsausschuss. Schließlich müssten die neuen EU-Staaten demnächst die EU-Entwicklungshilfe mitfinanzieren. "Das ist bei uns vielen gar nicht bewusst, alle reden nur von dem Geld, das wir aus Brüssel bekommen werden". Für Zündstoff dürfte jedenfalls die Kluft zwischen den Einkommen der jetzigen und künftigen Europaabgeordneten sorgen, deren Diäten jeweils denen der nationalen Parlamentarier entsprechen. Dadurch erhalten die Italiener - mit rund 11.000 Euro monatlich die Spitzenverdiener im Europaparlament - derzeit fast zwanzig Mal mehr an Diäten, als die Polen. Das Thema werde bereits heftig diskutiert, frohlockt die Slowakin Benova. Ihre Fraktionsfreunde hätten ihr versichert, dass ein einheitliches Abgeordnetenstatut mit gleichen Diäten für alle in Vorbereitung sei. Dass darüber bereits seit 20 Jahren gefeilscht wird - bisher ohne Erfolg - hat ihr offenbar niemand gesagt.