Votum in der Schweiz versetzt italienische Gouverneure in Aufruhr.
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Florenz. Mehr als 5000 Pendler aus den Orten des oberen Piemont fahren täglich in die italienische Schweiz zur Arbeit. Sie arbeiten als Bankangestellte, Ärzte und Krankenschwestern, im Hotelwesen und Dienstleistungssektor. Nun fürchten viele, mit der neuen Quotenregelung ihre Arbeitsplätze und Einkommen zu verlieren. Denn auf der italienischen Seite der Grenze ist kein Auskommen zu finden.
In der Schweiz jedoch vereinigt sich Misstrauen gegen die italienischen Arbeiter mit rassistischen Kampagnen wie jene aus dem Jahre 2010, "Bala i Ratt" - Rattentanz geheißen. Was damals dem Wahlerfolg der Tessiner Sektion der nationalkonservativen Schweizerischen Volkspartei nutzte, wurde nun zur Volksabstimmung wiederbelebt: Grenzgängerische Ratten, bekleidet mit T-Shirts in italienischen und Europafarben, nagen auf Plakaten am Schweizer Käse. Man fürchtet parasitäre Arbeitskräfte, die den Schweizer Steuervorteil genießen wollen. Die Kampagne war erfolgreich: In keinem Kanton hatte die Zuwanderungsinitiative so viele Befürworter wie im Tessin.
Italiens Norden sieht sich nun mit einem Problem konfrontiert: Nicht nur Arbeitskräfte, sondern auch viele italienische Unternehmen haben sich in den vergangenen Jahrzehnten im Tessin angesiedelt. Ihnen drohen bei einer Zuwanderungsbeschränkung Verluste. Grund genug, dass sich die beiden Gouverneure der italienischen Regionen Piemont und Lombardei - am meisten betroffen vom Ausgang des Volksbegehrens in der Schweiz - an die Zentralregierung in Rom mit der Forderung nach Unterstützung und Intervention in Bern wandten.
Dass es sich bei den Gouverneuren ausgerechnet um die beiden Lega-Politiker Roberto Cota und Roberto Maroni handelt, kann als Pikanterie angesehen werden. Steht die rechtspopulistische Partei doch selbst für Immigrationsstopp, Europakritik und Ressentiments gegenüber Süditalienern. Die Forderung der Gouverneure: Rom solle dem Norden Steuervergünstigungen gewähren, um sich im Grenzbereich den Schweizer Verhältnissen anzupassen. Roberto Cota plädierte gar für eine "Franken-Zone", die sowohl Tessin als auch die beiden italienischen Nordregionen umfassen sollte.
Zugleich äußert der frühere Lega-Nord-Chef und italienische Innenminister Roberto Maroni - heute Präsident der Lombardei - "volles Verständnis" für den Schweizer Entscheid. "Ich wünschte mir, Italien folgte diesem Beispiel. Alle Welt schützt ihre Interessen, die Schweiz die der Schweizer, die Engländer lassen Ausländer Gesundheitsdienstleistungen bezahlen - nur wir begehen mit den Einwanderern Selbstmord", erklärte Maroni.