)
Wer in Österreich erwerbsmäßig Tanzunterricht anbieten darf.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 3 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Auch wenn wir Covid-19 begehen mit allen damit verbundenen Grauslichkeiten - die Ballsaison ist ebenfalls im Gange und damit steigt, zusätzlich aufgrund aktueller TV-Formate, wieder das Interesse am Thema Publikumstanz. Wer darf eigentlich in Österreich legal erwerbsmäßigen Tanzunterricht anbieten? Darüber besteht in breiten, teilweise auch Fachkreisen, eine erstaunliche Unkenntnis. Wir wollen der Frage hier daher auf den Grund gehen.
Der Unterricht in Gesellschaftstänzen ist nebst der "Anstandslehre" die Kernkompetenz der Tanzschulen und grundsätzlich in Tanzschulgesetzen der Bundesländer geregelt (Landeskompetenz; Niederösterreich: im Veranstaltungsgesetz). Allerdings bestehen diese Gesetze nur mehr in vier Bundesländern: Wien, Niederösterreich, Oberösterreich, Steiermark. In den anderen Ländern wurde das Tanzschulwesen, wie es so schön heißt, dereguliert: Dort kann also jeder eine Tanzschule eröffnen - ohne jegliche Fachausbildung und ohne eine behördliche Ausübungsberechtigung. Nur die allgemeinen baubehördlichen Vorschriften sind dort zu beachten.
Vom Walzer bis zum Disco-Fox
Was sind Gesellschaftstänze? Das sind alle, zumeist paarweise getanzten Tänze, die üblicherweise zu gesellschaftlichen Anlässen getanzt werden und wurden. Man sieht: Das ist ein dynamischer Begriff, der in die Gegenwart und Vergangenheit reicht und eine breite Palette von Tänzen vom Walzer bis zum Disco-Fox umfasst. Aber auch ein früher gerne getanzter Lindy Hop oder Charleston wird dazu zählen.
Und was ist die rechtliche Implikation daraus? In den reglementierten Bundesländern Wien, Niederösterreich, Oberösterreich und Steiermark dürfen nur behördlich genehmigte Tanzschulen mit geeigneten Räumlichkeiten in dem Bereich tätig sein. Der Berechtigungsinhaber sowie jeder eingesetzte Tanzlehrer muss einen dreistufigen fachlichen Befähigungsnachweis erbringen:
Drei Jahre Praxis als Tanzlehrassistent unter Aufsicht eines Tanzlehrers oder Tanzmeisters in einer gewerblich betriebenen befugten Tanzschule.
Drei Jahre Besuch der Tanzlehrakademie in Wien oder einer ähnlichen Schulungseinrichtung.
Absolvierung der behördlichen, schriftlich - mündlichen (praktischen) Tanzlehrprüfung.
Die Tanzlehrakademie wird vom Verband der Tanzlehrer Wiens betrieben und betreut in jeweils drei Jahrgängen Tanzlehrassistenten aus ganz Österreich. Die Ausbildungsordnung wird von der Wiener Landesregierung genehmigt. Das Ausbildungsbuch der Tanzlehrassistenten wird regelmäßig überprüft. Die Prüfung wird österreichweit im übertragenen Wirkungsbereich des Landes Wien von der gesetzlichen Interessenvertretung, der Fachgruppe der Freizeit- und Sportbetriebe, abgehalten.
In Wien ist zur selbständigen Führung einer Tanzschule der Tanzmeisterstatus erforderlich. Um diesen zu erlangen, muss - nun ohne erforderliche Mitwirkung einer Tanzschule - seitens des geprüften Tanzlehrers an die Tanzlehrprüfung das aus 49 betriebswirtschaftlich-rechtlichen Lehreinheiten bestehende und somit eine berufsspezifische Unternehmerausbildung darstellende Tanzmeistermodul abgeschlossen werden. Durch Absolvierung der schriftlichen Tanzmeisterprüfung wird dieses finalisiert. Nach zwei Jahren Praxis als geprüfter Tanzlehrer wird die Tanzmeisterurkunde ausgestellt.
Der diplomierte Tanzmeister erfüllt Stufe 6 von 8 des Nationalen Qualifikationsrahmens (NQR), der geprüfte Tanzlehrer Stufe 5.
In den nicht reglementierten Bundesländern kann jeder eine Tanzschule eröffnen, das ist dort ein freier Beruf ohne behördliche Berechtigung, Kammermitgliedschaft besteht dennoch. Generell nicht reglementiert ist sonstiger Tanzunterricht, etwa der Betrieb einer Ballettschule.
Die drei ÖNORMen
Den Stand der Technik im Tanzunterrichtsbereich (Mindest-Qualitätsstandards) definieren drei ÖNORMen. Die ÖNORM D 1150 befasst sich mit Mindestanforderungen an die Berufsausbildung von Tanzlehrern und Tanzmeistern und dem Prüfungswesen, die ÖNORM D 1149 mit Mindestanforderungen an die Berufsausübung von Tanzschulen und die ÖNORM D 1151 mit dem Bereich des Unterrichts der Nicht-Gesellschaftstänze.
Die ÖNORM D 1150 regelt etwa:
Die Ausbildungseinrichtung, die eine Ausbildungsordnung für die Tanzlehrer/meisterausbildung zu erlassen hat
Das Aufnahmeprozedere in die Tanzlehrakademie (kommissionelle Prüfung, Beherrschen der wichtigsten Gesellschaftstänze auf Goldstar-Niveau; dazu gesundheitliche Eignung und einwandfreier Leumund).
Zwölf Wochenstunden, jeweils Samstag/Sonntag, über jeweils 32 Wochen über drei Jahre ergeben insgesamt 1152 Unterrichtsstunden.
Den Fächerplan der Ausbildungseinrichtung, wobei über die professionelle Beherrschung der relevanten Tanzformen hinaus Wert gelegt wird auf historische und Volkstänze, gesellschaftliche Umgangsformen und Lebenskultur, Musiklehre, Grundlagen des Tanzsports, tanzbezogene Freizeitgestaltung, Entwicklung und Einstudieren von Choreografien insbesondere für Balleröffnungen und Mitternachtseinlagen, moderne Bewegungstechniken und Modetänze, Grundzüge der Rock’n’Roll-Akrobatik und des Balletts, tänzerische Wettbewerbe (Turniere), Psychologie, Pädagogik, Rhetorik, soziale Kompetenz, Ethik, politische Bildung und grundlegende Rechtskenntnisse.
Die dreijährige praktische Ausbildung in einer professionell geführten Tanzschule. Jeder Tanzmeister/-x-NEWLINE-x--lehrer darf maximal zwei Ausbildungsschüler betreuen.
Durchführung der theoretischen und kommissionellen praktischen Prüfung inklusive der Lehrprobe (Präsentation eines schriftlich ausgearbeiteten Unterrichtskonzepts).
Unternehmerausbildung zum Tanzmeister und (schriftliche) Tanzmeisterprüfung.
Diese ÖNORM ist stark in der Wiener Tanzlehrprüfungsverordnung verankert und gewinnt so eine rechtlich bindende Bedeutung.
Tanzschulen, die von einem Tanzmeister betreut werden, dürfen das Tanzmeisterpickerl der Wirtschaftskammer führen.
Mindeststandards festgelegt
Die ÖNORM D 1149 befasst sich mit den Anforderungen an die Ausstattung von Räumen und die Unterrichtsgestaltung in Gesellschaftstänzen. Danach soll jede Tanzschule ihre Kunden transparent und hinreichend über ihr Angebot und ihre Ausstattung informieren. Im Folgenden werden Mindeststandards festgelegt, die Orte zu erfüllen haben, an denen Unterricht in Gesellschaftstänzen stattfindet, wobei an reguläre Tanzschulen besondere Anforderungen gestellt werden. Der Unterricht hat zur Förderung der sozialen Kommunikation, der Ball- und Tanzkultur sowie der gepflegten Geselligkeit und Unterhaltung beizutragen.
In diesem Zusammenhang werden auch weitere Kompetenzen des Tanzlehrers ausgeführt wie etwa Grundkenntnisse der Musiktheorie, ausreichende Stimmtechnik und die didaktisch und methodisch sinnvolle Gestaltung des Unterrichts, Kenntnis der Standard-Fachliteratur und anderer relevanter Quellen, grundlegende Rechtskenntnisse etwa über die Abgrenzung zum Tanzschulbereich, über Haftung und Rechteabgeltung für beim Unterricht eingesetzte Musik, Wissen über tanzbezogene Freizeitgestaltung, regelmäßige berufliche Weiterbildung. Der Unterrichtende hat in seinem Auftreten nach den allgemeinen gesellschaftlichen Regeln ein Vorbild für die Schüler zu sein. Der Unterricht muss an das Alter, die körperlichen Voraussetzungen und Fähigkeiten der Tanzschüler angepasst sein.
Anforderungen an Qualifikation
Die ÖNORM D 1151 befasst sich mit Anforderungen an die Qualifikation von Tanzinstruktoren für Nicht-Gesellschaftstänze (mindestens Stufe 4 des NQR, tanzbezogene Fachausbildung), darüber hinaus aber auch mit allgemeinen Anforderungen an den Unterricht und besonderen Anforderungen an den Unterricht in bestimmten, einzeln erfassten Tänzen. Auch Anforderungen an die Ausstattung der Unterrichtsstätte werden geregelt. Fachliche Anforderungen gelten sowohl für den Tanzinstruktor als auch die Ausbildungseinrichtung. Schließlich definiert die Norm auch tanzbezogene Fachbegriffe. Vorausgesetzt werden auch Kenntnisse der Geschichte und Kultur der jeweiligen Tänze, deren Stile und aktuelle Entwicklungen.
Die Unterrichtsstätte muss hinsichtlich Größe (ausreichend Platz), Temperierung, Belüftung, Beleuchtung, Ausstattung, Boden für den Unterricht geeignet sein und den Rechtsvorschriften (Bauordnung) entsprechen: also zum Beispiel kein professioneller Unterricht in einer privaten Wohnung. Besondere Ausführungen betreffend Mindeststandards folgen sodann für die Bereiche Ballett, Jazz Dance, Modern Dance, Steptanz, Flamenco, Orientalischer Tanz, Bollywood, Pole Dance, Urban/Street Dance, Country&Western Dance, Irish Step, African Dance und Volkstanz.
Sie sind anderer Meinung?
Diskutieren Sie mit: Online unter www.wienerzeitung.at/recht oder unter recht@wienerzeitung.at
Literatur- und Informationstipp: "Tanzschulen und Tanzunterricht in Österreich - Rechtsgrundlagen, Gesetze und ÖNORMEN" Herausgeber: Fachgruppe der Freizeit- und Sportbetriebe, 1. Auflage 2021, Austrian Standards, Wien (2021), erhältlich bei der Fachgruppe: office@freizeitbetriebe-wien.at