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Legende starb an Altersschwäche

Von WZ-Korrespondent Axel Eichholz

Wirtschaft
Aus für den Auto-Klassiker Lada Nova (hier in Kuba).

Nach Absatzeinbruch verließ der letzte Lada 2107 die Avtovaz-Fabrik.


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Moskau. Ganz unspektakulär wurde am Dienstag der Hauptschalter an der Montagestraße der Autofabrik im russischen Ischewsk umgedreht. Der letzte Lada 2107 rollte aus der Produktionshalle. Der erste russische "Fiat 124 in Luxusausführung" hatte 1982 die Fabrik verlassen. Mit dem größtmöglichen 1,5-Liter-Motor seiner Typenreihe und bescheidenem Komfort avancierte er schnell zum Lieblingsauto sowjetischer Provinzgangster. Der Geheimdienst KGB bestellte eine superschnelle Version mit Wankelmotor, der kein westlicher Spion entkommen konnte. Im Westen wurde er unter "Lada Nova" oder "Lada Riva" angeboten. Die letzten Versionen erreichten eine Höchstgeschwindigkeit von 150 Stundenkilometern.

Nachfrage brach erst 2011 ein

Das Stammwerk an der Wolga hatte die Produktion des Modells bereits eingestellt. Für das marode Autowerk in Ischewsk war er aber eine Rettung, als der größte russische Autobauer Avtovaz 2011 die Produktion in die Stadt gut tausend Kilometer östlich von Moskau verlegte. Es fanden sich immer noch Liebhaber des Fiat 124 mit Hinterradantrieb, Trommelbremsen hinten und angemessener Bodenfreiheit. In den vergangenen sechs Monaten sank die Nachfrage jedoch um 71 Prozent. Der "Siebener" war nicht mehr zu retten. Für Ischewsk war es der Verlust einer zweiten symbolträchtigen Marke, nachdem die Waffenfabrik die Kalaschnikow-Produktion eingestellt hatte.

Das Simpelauto Lada wurde vor 45 Jahren nicht etwa aus Rücksicht auf die Armut der Sowjetbevölkerung ins Leben gerufen, im Gegenteil. Ministerpräsident Alexej Kossygin stellte fest, dass zu viel Geld unterm Volk war. Als Abhilfe schlug er vor, ein richtiges Massenauto zu bauen, für das die Leute ihre Ersparnisse ausgeben könnten. Dafür sollte ein großes neues Werk entstehen.

Italien bekam den Zuschlag: Das Angebot von Fiat war günstiger als die der Konkurrenz. Auch der politische Aspekt spielte eine Rolle. In Italien tobten Klassenkämpfe, und der sowjetische Großauftrag sah wie Bruderhilfe für italienische Werktätige aus.

An der mittleren Wolga wurde eine Autostadt aus dem Boden gestampft und auf den Namen des langjährigen italienischen Kommunistenchefs Palmiro Togliatti getauft. 1971 rollte der russische Fiat als "WAZ 2101" durch die Straßen, der zum Lada 2107 weiterentwickelt wurde.

In der postsowjetischen Zeit brachte der Lada-Hersteller modernere Modelle mit Frontantrieb auf den Markt. Sie konnten aber gegen westliche Automontagebetriebe, die wie Pilze aus dem Boden schossen, ohne staatliche Unterstützung nicht konkurrieren. Es kam so weit, dass Präsident Wladimir Putin sich ans Steuer setzte, um für den neuesten Lada Werbung zu machen.