Die Lehrlingsausbildung soll weiterentwickelt werden. Ziel sind mehr Durchlässigkeit und digitale Inhalte.
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Wien. Unter dem Motto "Mit der Lehre an die Spitze" lud Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) zu einem Expertengipfel. Ziel ist es, die Lehrlingsausbildung für die zusätzlichen Anforderungen, die mit der Digitalisierung einhergehen, weiterzuentwickeln: "Berufe ändern sich und neue Technologien krempeln ganze Branchen um", sagte Schramböck. Die Ausbildung müsse auf dem neuesten Stand der Technik und anhand realer Anforderungen aus der Praxis erfolgen: "Hier müssen wir schneller werden. Es kann nicht sein, dass wir von der Idee bis zu den ersten Absolventen neuer Lehrberufe bis zu zehn Jahre brauchen."
Mehr offene Lehrstellen
Zwar waren Ende Mai der Wirtschaftskammer zufolge insgesamt genau 99.536, also um 0,5 Prozent mehr als im Jahr davor, in Lehrausbildung. Laut Arbeitsmarktservice (AMS) stehen aktuell aber wie schon im Mai offenen Lehrstellen in Unternehmen weniger junge Menschen, die eine Lehrstelle suchen, gegenüber. Österreichweit sind mit Stichtag Ende Juni 4811 Lehrstellen sofort verfügbar, das sind um 17,3 Prozent mehr als zum selben Zeitpunkt im Vorjahr. Dem AMS gemeldet, dass sie eine Lehrstelle suchen, haben 4785 Personen - also nur um 0,8 Prozent mehr als zu Sommerbeginn 2017.
Zwar fehlen damit österreichweit rein rechnerisch nur 26 Interessenten, und im Laufe des Sommers findet erfahrungsgemäß noch so mancher Betrieb den für sich passenden Lehrling. Da aber das Interesse an einer Lehre regional und auch von Beruf zu Beruf stark unterschiedlich ist, außerdem sich nicht jeder Bewerber für jede Lehrstelle gleichermaßen eignet, könnte es heuer in manchen Betrieben zu Engpässen kommen.
Die rund 100 Vertreter aus Unternehmen, den Sozialpartnern sowie Nationalratsabgeordnete diskutierten folglich über die Attraktivierung der Lehre: durch Innovation in der Lehre, mehr Durchlässigkeit zwischen verschiedenen Ausbildungswegen, regionale Herausforderungen, Imageverbesserung der Lehre sowie Ansprechen neuer Zielgruppen. "Wir müssen die Lehre öffnen und für neue Zielgruppen, etwa mehr Frauen und Personen über 21, attraktiv machen", sagte Schramböck. Schon das Wort "Lehrlingsentschädigung" sei kein Ausdruck der Wertschätzung. Da "die Lehre etwas ist, auf das man stolz sein soll."
Edith Kugi-Mazza, die als Leiterin der Abteilung Lehrlings- und Jugendschutz für die Arbeiterkammer am Gipfel teilnahm, betonte, dass man sich nicht nur auf die Besten konzentrieren solle. Denn: "Wenn ein Marcel Hirscher Ski fahren kann, heißt das noch nicht, dass alle das können. Die Lehre muss Breitensport und nicht Spitzensport sein." Fachkräftemeisterschaften wie die "Euroskills" 2020 in Graz alleine reichen ihr nicht. "Es war wichtig, dass beim Lehrlingsgipfel auch Probleme des Bereichs angesprochen wurden.
Bei der Einschätzung, welche das sind, war man mit dem sozialpartnerschaftlichen Gegenüber aber weitgehend einig: Man wolle etwa die Durchlässigkeit erhöhen. Ziel ist es, dass die Lehre nicht nur für Schulabbrecher, sondern auch für Maturanten attraktiver wird. Auch ein Wechsel an eine Fachhochschule nach einer Lehre soll besser machbar sein.
"Triale" statt duale Ausbildung
Kleinere Auffassungsunterschiede dürften aber auch in diesem Feld zu diskutieren sein, wie das Beispiel der Entwicklung der dualen in Richtung "triale Ausbildung" zeigt. Kugi-Mazza spricht von einem dritten Standbein der Lehre, zusätzlichen Kursen für Lehrlinge, deren Ausbildungsbetriebe in Sachen Digitalisierung noch "etwas hinterherhinken".
Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer meint damit, die Ergänzung der praktischen Ausbildung im Betrieb und der Theorie um digitale Kompetenzen. So sollen künftig "große Themen" wie etwa die Datenschutzgrundverordnung als Ausbildungsinhalt einfließen, oder Betriebe, wie aktuell bereits jene der Gebäudereinigung, mit Lerntechnologie wie Apps unterstützt werden.
Es sind Nuancen - Mahrers Ansage: "Datensicherheit, künstliche Intelligenz oder das ‚Internet der Dinge‘ sind nichts Abstraktes, sondern bilden die Grundlage künftiger Geschäftsmodelle. Wenn unsere Lehrlinge in diesen Themen fit sind, mache ich mir um den künftigen Unternehmensstandort Österreich keine Sorgen", können wohl auch Arbeitnehmervertreter unterschreiben. Die Diskussion über die Details künftiger Lehrinhalte ist also eröffnet.