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Lehren aus der Shitshow

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© WZ

Das Duell Trump vs. Biden zeigt, dass die Medien die zerstörerische Dynamik, die sie mitgeschaffen haben, nicht mehr kontrollieren.


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Die Verzweiflung, die Chris Wallace befiel, war bezeichnend. Der so angesehene wie geübte Moderator in Diensten von Fox News scheiterte über die gesamten 95 Minuten damit, eine konstruktive Diskussion zwischen den beiden Kandidaten für die US-Präsidentschaftswahlen am 3. November herbeizuführen. Der republikanische Amtsinhaber Donald Trump und sein demokratischer Herausforderer Joe Biden lieferten einander vor den Augen der amerikanischen Nation und der interessierten Weltöffentlichkeit eine "Shitshow", wie es CNN-Moderatorin Dana Bash wenig vornehm, aber punktgenau formulierte.

Dieser in der Geschichte der TV-Debatten zu US-Wahlen bisherige Tiefpunkt hat dabei ein Diskurskonzept perfektioniert, das die privaten Nachrichtenkanäle - und an der Spitze der Trump-Sender Fox News - im zurückliegenden Jahrzehnt als Erfolgsrezept entwickelt haben und das darauf hinausläuft, jedes erkenntnisleitende Gespräch zwischen Kontrahenten zu unterbinden. In einem gewissen Sinne erntete der persönlich unangreifbare Moderator Wallace, was seine Branche - und insbesondere sein Arbeitgeber - erst zugelassen, dann gefördert und schließlich als diskursiven Standard durchgesetzt hat.

Ein Gespräch zwischen Kontrahenten erfordert, dass sich die beteiligten Akteure zunächst auf allgemein akzeptierte Gemeinsamkeiten und Fakten verständigen, um auf dieser Grundlage die Unterschiede in den Zielen und den Wegen dorthin zu benennen und zu argumentieren. Das ist natürlich sehr viel mühsamer und erfordert mehr Sachkenntnis, als einander einfach nur willkürliche Behauptungen frei von jedem Wirklichkeitsbezug an den Kopf zu werfen. Persönliche Beleidigungen und Untergriffe sind dann die nächste Stufe dieser Entwicklung, die Trump und Biden - gezielt aggressiv der eine, hilflos verzweifelt der andere - vor ihrer Nation erklommen.

Über Trump und seine Methode, Politik mit emotionaler Aggressivität aufzuladen, wurde schon lange fast alles gesagt und geschrieben. Angesichts der Hilflosigkeit des Moderators wie der Veranstalter, den Kontrahenten - und besonders Trump - einen Rahmen zu setzen, der diese zu einem Gespräch zwingt, das den US-Bürgern hilft, eine informierte und nicht rein emotionalisierte Wahlentscheidung zu treffen, ist es an den Medien, ihre Rolle und ihren Beitrag in dieser Inszenierung kritisch zu hinterfragen. Sie haben mitgewirkt, dieses Chaos zu schaffen. Jetzt tragen sie eine Mitverantwortung, einen Ausweg zu finden.