Dem Ende der Covid-Regeln darf kein Vakuum folgen.
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Dass der Gesundheitsminister die diversen Covid-Rechtsnormen "abschaffen" will, wie es am Wochenende kommuniziert wurde, ist erstens verständlich und zweitens ein eher technischer Vorgang, für den Johannes Rauch in den allermeisten Fällen gar nichts tun muss. In die Verordnungen und Gesetze betreffend Covid wurde ein Datum des Außerkrafttretens hineingeschrieben, sie laufen also einfach aus.
Da aber sowohl Rauch als auch Bundeskanzler Karl Nehammer dieses Vorhaben, das ja eigentlich ein Nicht-Vorhaben ist, schlagzeilentauglich via "Kronen Zeitung" verkündeten, liegt der Schluss nahe, dass wieder einmal mit Pandemiemanagement Tagespolitik gemacht wird. Ende Jänner wird in Niederösterreich gewählt, und die FPÖ hat zuletzt den Takt ihrer Forderungen nach einem Aus für sämtliche Covid-Gesetze von monatlich auf wöchentlich erhöht.
Ohne Zweifel ist die Lage heute eine völlig andere als in den ersten zwei Pandemiejahren und das Überführen in das reguläre Gesundheitssystem sinnvoll. Aber die Situation ist eben nicht ganz so "wie davor". Und vielleicht wird sie das auch nicht mehr.
Doch wenn der Kanzler in der "Krone" sagt, dass "sich jeder selbst schützen kann" und "dieser Schutz in der Eigenverantwortung der Menschen steht", dann ist das nach drei Jahren in Begleitung von Covid ein unverständlicher kommunikativer Fokus. Die vergangenen Jahre sollten gelehrt haben, dass die Eigenverantwortung keine taugliche Waffe gegen Infektionserkrankungen ist, sondern vielmehr die Achillesferse, egal ob bei Covid, Influenza, HPV oder HIV. Es geht, naturgemäß, nicht ohne Eigenverantwortung, doch im Vordergrund muss die gesellschaftliche Verantwortung stehen, die intensiver gepflegt und geschult gehört. Hierzulande wurde im Pandemiemanagement fast ausschließlich auf behördliche Vorschriften gesetzt, die kein Dauerzustand sein können. Dieser Weg birgt nun die Gefahr eines Rückfalls in ein Vor-Pandemie-Verhalten, zum Beispiel krank in die Arbeit zu gehen oder verschnupft die Angehörigen im Spital zu besuchen. An die Stelle von Verordnungen sollte eine Bewusstseinsbildung treten. Die hat sich sicher auch von selbst gebildet, gehört aber unterstützt.
Sinnvoll wäre es auch, eine Fachgruppe untersuchen zu lassen, ob gewisse Rechtsnormen in den Regelbetrieb übernommen werden sollten. Reichen etwa die Hygienevorschriften für Spitäler, die derzeit noch eigene Covid-Präventionskonzepte benötigen? Immerhin hat erst am Freitag der Rechnungshof auf das nicht unerhebliche Problem von Spitalserregern in Österreich aufmerksam gemacht. Die Pandemie einfach legistisch für beendet zu erklären, mag Politik sein, es ist aber keine verantwortungsvolle Gesundheitspolitik.