Lehrer haben eine wichtige Aufgabe in der Gesellschaft. Sie kümmern sich um die nächste Generation. Das Bild von Lehrern in der Öffentlichkeit ist auch von dieser Bedeutung geprägt, die notwendigerweise mit einem Unbehagen für alle Beteiligten verbunden ist. Bedeutung korreliert mit Macht, damit sind Konflikte unvermeidbar.
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Die wichtigste Aufgabe der Lehrer ist es, als Vorbilder zur Verfügung zu stehen. Sie wirken daher nur indirekt über ihr Fachwissen. Vor allem sind sie einem humanen, demokratischen Verhalten verpflichtet, dem eine prinzipielle Wertschätzung für jeden einzelnen Menschen zu Grunde liegt. Lehrer, und Kindergärtner, die mit jungen Menschen arbeiten, haben eine besondere Verantwortung. Das Widerstandspotenzial gegen Vorbilder entwickelt sich ja erst mit zunehmendem Alter.
Wer für den Lehrberuf geeignet ist und wie die Ausbildung gestaltet werden soll, rückt in Zeiten gesellschaftlicher Veränderungen ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Nun liegen die Empfehlungen der Expertenkommission zu einer neuen Lehrerausbildung vor. Das Bemühen, "die jungen Menschen in der Gesellschaft von morgen" ins Zentrum zu stellen, ist erkennbar. Die wichtigste Entscheidung, nämlich welche Institution für die Lehrerausbildung zuständig sein soll, wird aber nicht getroffen. Die vorgesehene Kooperation aller Unis und Pädagogischen Hochschulen, die jetzt in diesem Bereich Anbieter sind, wird - dazu braucht es nicht viel Phantasie - unter dem Druck der Kompromissfindung über weite Strecken zu einer Werterführung des Bestehenden führen. Substanziell Neues aber wäre nötig, nur wird es so nicht entstehen.
Tatsächlich braucht es eine Institution mit dem klaren Auftrag sich mit dem Berufsbild Lehrer, mit Schule in Theorie und Praxis zu beschäftigen, um künftigen Lehrern eine "wissenschaftliche Heimat" zu bieten. Universitäten leisten das nicht. Anders als bei Medizin oder Jus geht es in der Lehrerausbildung um Wissensgebiete wie Mathematik, Chemie, Geschichte und andere, die an der Universität zu wissenschaftlichem Arbeiten ausbilden. Die Professoren sind ihren Fächern, nicht einer Berufsausbildung verpflichtet. Daher ist die Lehrerausbildung immer ein Anhängsel. Das ist solange gut, solange sich die Praxis nicht ändern muss.
In Zeiten notwendiger Veränderungen ist die Auseinandersetzung mit dem Lehrerberuf mit den Studierenden zu führen. Sie müssen sich mit den künftigen Erlebniswelten der nächsten Generation ebenso befassen wie mit den drängenden gesellschaftlichen Fragen. Nur so können sie sich im Laufe ihrer Berufstätigkeit an der Weiterentwicklung des Bildungssystems beteiligen. Auch an den Pädagogischen Hochschulen finden diese Lernprozesse nicht statt.
Wird es den politischen Willen und die politische Kraft geben, gut ausgestattete Institutionen auf akademischem Level zu gründen, die die Verantwortung für eine neue Ausbildung in allen pädagogischen Berufen übernehmen?
Dr. Christa Koenne war AHS-Direktorin und ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Uni Wien. Siehe auch:230.000 Nachmittagsplätze fehlen