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Lehrerin im Eis

Von Alexander U. Mathé

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Maggie McDonnell versucht, Menschen in der Arktis neuen Mut zu machen.


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Maggie McDonnell war in den vergangenen zwei Jahren schon auf zehn Begräbnissen. Bei den Beigesetzten handelte es sich um ihre Schüler, die sich aus Verzweiflung das Leben genommen hatten. McDonnell ist Lehrerin in Salluit. Das ist ein 1500-Seelen-Dorf mitten im Nirgendwo der Arktis. Straßen, die nach Salluit führen, gibt es keine; wer dorthin will, muss das Flugzeug nehmen, was wiederum nicht ganz billig ist. Für einen Flug von Montreal muss man - wenn es gut geht - schon mit 1000 Euro rechnen. Abgeschottet vom Rest der Zivilisation sind die Perspektiven in Salluit nicht die Besten. Jugendliche versuchen, ihre Verzweiflung und ihren Schmerz mit Alkohol und Drogen zu betäuben, erzählt McDonell im Interview mit dem deutschen Sender "ARD". Jugendschwangerschaften sind ebenso keine Seltenheit wie sexueller Missbrauch. Da überrascht es nicht, dass auch Selbstverletzungen das Bild der Jugendlichen von Salluit prägen; und manchmal geht einer einen Schritt weiter. Gegen all das kämpft Maggie McDonnell an. Sie war beseelt von der Vorstellung, die wirtschaftliche und soziale Ungleichheit der Inuit-Bevölkerung zu reduzieren, als sie sie vor sechs Jahren den Posten als Lehrerin oberhalb der Baumgrenze in der Arktis angenommen hat, wo es im Winter schon einmal minus 30 Grad haben kann. Sie begann, einen neuen Lehrplan zu entwickeln, der aus den Schülern die Lösung statt des Problems macht. Also wurden sie in praktische Projekte eingebunden, die auch für die Gemeinschaft nützlich sind. Sie erhielt 100.000 Dollar, um ein Fitnesscenter zu errichten. Ihre Schüler sorgten dabei für alles, vom Aufbau bis zum Anstrich. Gleichzeitig hilft der Trainingsort nun, den steigenden Prozentsatz an Diabetes und Übergewicht in der Bevölkerung einzudämmen. Um die Ernährung geht es in einem anderen Projekt. McDonnell rief eine Gemeinschaftsküche ins Leben, in der Essen serviert wird, bei dessen Zubereitung die Schülerinnen mithelfen. Inzwischen essen dort knapp 100 Menschen am Tag, die nicht nur von leistbarem, sondern auch in der kargen Region sicherem Essen profitieren. Auch einen Gebrauchtwarenhandel baute McDonnell mit ihren Schülern auf, was in der sündteuren, weil von eingeflogener Ware abhängigen Gegend mehr als willkommen ist.

Die Projekte waren ein erfolgreicher Anreiz für die Schüler, in die Schule zurückzukehren, zumal für die Schülerinnen, deren Anteil unter McDonnell um ein Vielfaches stieg. Gleichzeitig ist McDonnell rund um die Uhr für die Kinder und Jugendlichen da, wenn sie über ihre Probleme sprechen wollen. Für ihr Engagement wurde sie vor kurzem mit der Auszeichnung "Weltlehrerin des Jahres" beehrt. Den mit einer Million Dollar dotierten Preis will sie für weitere Projekte in Salluit investieren.