)
Für 11.464 Jugendliche, die eine Lehrstelle suchen, waren Ende Oktober nur 2.700 offene Lehrstellen beim Arbeitsmarktservice vorgemerkt, erklärte Arbeiterkammerpräsident Herbert Tumpel gestern und forderte von der Regierung 5.000 Plätze im Auffangnetz zur Jugendausbildung. Die Grünen verlangen eine Reform des dualen Systems. Die Maßnahmen der Regierung "in letzter Sekunde" seien zwar positiv, "greifen aber zu kurz", kritisierte Sozialsprecher Karl Öllinger.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 22 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Tumpel macht die Regierung für die Situation der Jugendlichen verantwortlich. Diese habe zweieinhalb Jahre lang bei der Jugendausbildung gekürzt und gestrichen und das Auffangnetz zur Jugendausbildung ausgehungert, kritisierte der AK-Präsident gestern in einer Pressekonferenz. Er verlangt, dass die Regierung 5.000 Plätze im Auffangnetz zur Jugendausbildung ermöglicht. Dort soll die Ausbildung bis zum Lehrabschluss ermöglicht werden, sodass die Jugendlichen eine wirkliche Perspektive für den Arbeitsmarkt haben. Die von der Regierung beschlossenen 3.000 Schulungsplätze seien "nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein", sagte Tumpel.
Die Wirtschaftskammer verwies gegenüber der "Wiener Zeitung" darauf, dass in der von Tumpel genannten Zahl von 11.464 Lehrstellensuchenden auch jene mehr als 6.000 Jugendlichen eingerechnet worden seien, die in Überbrückungskursen seien. Tatsächlich waren Ende Oktober 5.000 Lehrstellensuchende beim AMS vorgemerkt.
Von Kursen ohne Abschluß hält wieder der Grüne Sozialsprecher Öllinger wenig. Ausbildungsgänge seien besser als nichts, sie könnten aber das duale System nicht ersetzen. Allerdings müsste das duale System kräftig reformiert werden, forderte Öllinger. So etwa müsste ein zweiter Berufsschultag geschaffen werden. Damit kleine Betriebe, die eine Lehrausbildung übernehmen, dadurch nicht überfordert werden, soll ein Lastenausgleich geschaffen werden. Ein solcher Lastenausgleich zwischen Betrieben, die Lehrlinge ausbilden, und jenen, die das nicht tun, wird schon seit Jahren diskutiert. Im Ausgleich zur Schaffung eines Lastenausgleichs schlägt Öllinger eine "Flurbereinigung bei den Förderungen" vor.
Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl hatte bereits im Sommer einen Berufsbildungsscheck vorgeschlagen. Demnach sollten Unternehmen, die Lehrlinge ausbilden, die Lohnkosten während der Berufsschulzeit ersetzt werden. Im jüngsten Lehrlingspaket der Regierung hat das mit Einführung des Lehrlingsausbildungsschecks (1.000 Euro pro Lehrling und Kalenderjahr) Niederschlag gefunden.
Reformen des dualen Systems scheiterten laut Öllinger am Widerstand der Wirtschaftskammer und am "Gesundbeten des dualen Systems". Allerdings will Öllinger der Wirtschaft nicht allein den schwarzen Peter zuschieben. Denn etwa für die Ausbildung von Sozialberufen sei die Wirtschaft nicht zuständig. Da müsse die öffentliche Hand tätig werden. Überhaupt seien derzeit im öffentlichen Dienst nur 20 Lehrlinge. Als positives Beispiel führte der Grünenpolitiker die Lehrwerkstätte der ÖBB in St. Pölten an. In einer ÖBB-eigenen Berufsschule würden 300 Lehrlinge ausgebildet.
Neben einem zweiten Berufsschultag und einem Lastenausgleich fordert Öllinger auch die Modularisierung der Ausbildung. So könnten etwa KinderbetreuerInnen zu AltenbetreuerInnen ausgebildet werden.