Vertreter größter Fraktionen von Ashton angetan. | Keine Probleme für Polen Lewandowski. | Brüssel. Jose Manuel Barroso hatte den EU-Abgeordneten im September noch ein knapp fünfzig Seiten langes Programm für die nächsten fünf Jahre vorlegen müssen, um den Zuschlag für eine weitere Amtszeit zu erhalten. Seine Kommissare könnten es diese und nächste Woche deutlich einfacher haben. | Interview mit Ernst Strasser | Ruf nach mehr Koordination | Ein Präsident und eine Präsidentschaft | Deutsche greifen nach europäischen Spitzenposten
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Sie werden offenbar von einem informellen Abkommen der beiden größten Fraktionen im EU-Parlament getragen, der Europäischen Volkspartei (EVP) und den Sozialisten und Demokraten (S&D). "Wir haben die Absicht, niemanden durchfallen zu lassen, wenn keiner grobe Fehler macht", hieß es. Verzögerungen habe es schließlich schon genügend gegeben.
Ein erstes Musterbeispiel dieser Linie zeigte gestern, Montag, bereits die dreistündige Anhörung der neuen EU-Außenministerin Catherine Ashton, die sich als Vizepräsidentin der Kommission als erste dem Parlament stellen musste. Sie sprach schon zum zweiten Mal vor dem außenpolitischen Ausschuss, nachdem sie Anfang Dezember vor allem erklärt hatte, zuhören zu wollen. Jetzt verwendete sie diese Wendung zwar nicht mehr. Inhaltlich war aber wenig Unterschied herauszuhören.
Nur wenig Kritik
Immerhin habe sie sich alle geplanten Pipelines in die EU angeschaut, meinte sie auf Fragen nach der Energieaußenpolitik der Union. Die Versorgungsquellen müssten diversifiziert werden, erklärte sie. Zudem sei es wichtig, dass die EU in ihrer Nachbarschaft wie in Afghanistan, Pakistan, Nahost, Somalia und Jemen Führungsstärke zeige. Wirtschaftliche Sanktionen gegen den Iran stünden im Raum, falls sich Teheran weiterhin weigere, in der Atomfrage zu kooperieren. Wie sich die Ukraine nach den Wahlen weiterentwickeln werde, habe sie keine Ahnung. Das sei ja das schöne an der Demokratie, meinte Ashton.
Und die Abgeordneten versuchten gar nicht erst, die Britin in die Ecke zu drängen. Nur vereinzelt musste sie sich kritische Fragen anhören. So gab es die erwarteten Anwürfe von britischen Gegenspielern. Der Tory Charles Tannock und der Abgeordnete der UK-Independence Party, William Darthmouth, warfen der Labour-Politikerin in scharfem Ton ihre frühere Mitgliedschaft bei der Friedensbewegung gegen Atomkraft (CND) vor, dessen Schatzmeisterin sie in den 1970er Jahren war. Noch heute wäre Osteuropa nicht frei, wenn sich die CND damals durchgesetzt hätte, wetterte Darthmouth. Ob sich nun für ihren Irrtum entschuldige oder die Edith Piaf der EU-Kommission werde - eines von Piafs bekanntesten Liedern heißt: "Ich bereue nichts".
Doch damit spielte der britische EU-Gegner Ashton in die Hände. Sie stehe zu ihrem damaligen Engagement, meint sie und erntete umgehend Applaus. Am Ende gab es positive Reaktionen von Vertretern der EVP, S&D und Liberalen - gemeinsam eine sichere Mehrheit.
Dem CDU-Außenpolitiker Elmar Brok gefiel, dass Ashton dem EU-Parlament volle Budget- und Haushaltskontrollrechte über ihren künftigen Europäischen Auswärtigen Dienst zusagte. S&D-Fraktionsvize Hannes Swoboda schwärmte ohnehin bereits von Anfang an von der Britin und lobte "den guten Mix an pragmatischen Ansätzen."
Noch keine EU-Steuer
Der ebenfalls bereits Montagnachmittag abgehandelte Kandidat Janusz Lewandowski für den Posten des Budgetkommissars wurde ebenfalls entspannt durchgewunken. Der Pole war selbst lange der Vorsitzende des Haushaltsausschusses im EU-Parlament. Noch sei die EU nicht für ein "steuerliches System von Eigenmitteln" bereit, meinte er wenig überraschend. Alle bisherigen Anläufe waren schon im Ansatz abgeschmettert worden. Frühestens im Februar wird ein unverbindliches Strategiepapier der neuen Barroso-Kommission zum Thema erwartet. Die von Österreich seit langem propagierte Finanztransaktionssteuer liege "als Option auf dem Tisch", meinte der frühere polnische Privatisierungsminister.
In der Riege der designierten Kommissare gibt es zwar ein paar Kandidaten, denen wohl gewisse Vorwürfe gemacht werden könnten. So soll der Ehemann der Bulgarin Rumiana Jelewa Geschäftsbeziehungen mit Vertretern der Organisierten Kriminalität unterhalten haben, der Maltese John Dalli wird von manchen verdächtigt, in seiner Heimat möglicherweise Ausschreibungen manipuliert und sich so bereichert zu haben. Bestätigt ist beides freilich nicht. Und dass etwa der Tscheche Stefan Füle und der Ungar Laszlo Andor eine Karriere in den kommunistischen Ex-Regimes ihrer Länder gemacht haben, ist zwar wohl schwer abzustreiten, dürfte aber wohl auch kein heißes Thema werden.
Komplett ungefährdet scheint der österreichische Kandidat für den Regionalkommissar, Johannes Hahn, bei seiner Anhörung am Donnerstag, wenn er sich nicht noch ein paar völlig überraschende Schnitzer leistet. Seine Pressearbeit übernimmt in Zukunft übrigens aller Voraussicht nach der langjährige niederländische Agenturjournalist Ton van Lierop, der bisher den scheidenden deutschen Industriekommissar Günter Verheugen betreut hat.