Viele Migranten suchen bei der AK vor allem Beratung im Arbeitsrecht.
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Wien.
Beratung im Arbeitsrecht zählt zu den Kernaufgaben der Wiener Kammer für Arbeiter und Angestellte (AK). Mehr als 50 Prozent der Menschen, die sie in Anspruch nehmen, haben Migrationshintergrund. Dass Arbeitnehmer mit Migrationshintergrund öfter arbeitsrechtliche Beratung brauchen, habe weniger mit der Herkunft der Betroffenen als vielmehr mit den Branchen zu tun, in denen sie tätig sind, betont Josef Wallner, AK-Leiter der Abteilung "Arbeitsmarkt und Integration". Viele Migranten arbeiten am Bau, im Handel, in der Gastronomie.
Gerade im Baugewerbe sind viele Betrügerfirmen aktiv. Arbeitnehmer mit Migrationshintergrund haben mit Betrügern überproportional viele Probleme. Sie werden gezielt angesprochen und angeworben. "Sie sind leichter ausnutzbar", meint Wallner. Wenn die Betroffenen dann zur AK kämen, weil der Arbeitgeber plötzlich nicht mehr da und das Gehalt nicht bezahlt worden ist, dann sei das typische Szenario: "Wie heißt die Firma? Weiß ich nicht genau. Wie sind Sie zu dem Job gekommen? Es hat mich jemand an der Tankstelle angesprochen oder im Café. Wer war ihr Ansprechpartner? Herr Bruno, oder ein anderer Name - aber immer nur ein Vorname. Und natürlich gibt es nur eine Mobilnummer und die ist nun nicht mehr in Betrieb."
Zohreh Ali-Pahlavani, Mitarbeiterin der Abteilung "Arbeitsmarkt und Integration" und selbst nach Österreich zugewandert, ergänzt: Gerade Migranten schauen, dass sie nach einem verlorenen Job rasch wieder Arbeit finden. Sie wollen arbeiten - und keine Probleme machen. Daher drängen sie meist nicht auf sofortige Schriftlichkeit. Dadurch können sie aber leichter ausgenützt werden: von Betrügerfirmen, aber auch durch Arbeitgeber, die es mit dem Anmelden oder der Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge nicht so genau nehmen.
Dass Migranten häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen sind als Nicht-Migranten, ergab auch eine Studie der Arbeiterkammer über die "Beschäftigungssituation von Personen mit Migrationshintergrund in Wien". Mehr als 40 Prozent der Migranten waren in den letzten zehn Jahren zumindest einmal arbeitslos, nur zwölf Prozent waren es bei Arbeitnehmern ohne Migrationshintergrund.
Doch nun werden Arbeitgeber, die ihre Beschäftigten ausnützen, härter als bisher bestraft. Seit dem 1. Mai des Vorjahres gilt das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz. "Immer wenn wir mit Einzelfällen konfrontiert sind, die auf ein gemeinsames, größeres Problem hinweisen, versuchen wir, eine kollektive Lösung zu finden", erzählt Wallner. Die AK habe sich daher hier für eine schärfere Gangart eingesetzt. Wird ein Arbeitgeber nun dabei erwischt, keine oder zu niedrige Sozialversicherungsbeiträge für seine Mitarbeiter abgeführt zu haben, muss er diese nicht nur wie bisher nachzahlen, sondern es drohen auch saftige Strafen: bis zu 50.000 Euro pro betroffenem Arbeitnehmer.
Die AK mache nicht Politik für verschiedene Gruppen, sondern vertrete ihre Mitglieder. Haben diese allerdings besondere Bedürfnisse, gebe es entsprechendes Angebot, betont Wallner. Thema: sprachliche Verständigungsprobleme. Hier gebe es in der Praxis längst nicht so oft Deutschdefizite wie medial oft dargestellt, betont Ali-Pahlavani. Jene, die sich allerdings auf Deutsch nicht so gut ausdrücken können, erhalten in der AK Beratung in ihrer Muttersprache. 18 Idiome umfasst die Sprachenkompetenz der AK-Belegschaft. Ein Drittel der rund 700.000 Mitglieder der Wiener AK hat Migrationshintergrund, ist also selbst im Ausland geboren und zugewandert oder hat mindestens einen Elternteil, der nicht aus Österreich stammt.
Zweisprachige Berater
Wurden in den 70er Jahren den Beratern Übersetzer beigestellt, ist man später dazu übergegangen, muttersprachliche Berater zu engagieren. Da habe dann ein Türkisch-Sprechender nur Zuwanderer aus der Türkei beraten, ein Kroatisch-Sprechender Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien. "Das ist heute nicht mehr zeitgemäß", sagt Ali-Pahlavani. Jetzt schaue man, dass die eingestellten Berater ihrerseits eine zweite Sprache mitbringen und so alle Sprachen abgedeckt sind, aber nicht mehr ein Berater nur eine spezielle Klientel betreue.
Muttersprachliche Angebote gibt es seitens der AK auch bei Messen und größeren Veranstaltungen: bei der Messe "Beruf Baby Bildung", bei den "Steuerspartagen", bei der Berufsinformation für 14-Jährige, der Messe "L 14". Hier versucht man noch mehr Eltern, die selbst nur über eine niedrige Bildung verfügen, anzusprechen. Teils gelingt das über die Schulen, teils über migrantische Vereine und natürlich über die Mitgliederzeitung der AK.
Die Jugend steht auch im Zentrum von Projekten der AK Wien. So schulte etwa der Verein "Zara - Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit" im Auftrag der AK Schüler einer Handelsakademie und Handelsschule des Berufsförderungsinstituts in Margareten in Anti-Rassismus-Arbeit. Als Peers sollen sie dann wieder andere Jugendliche in Schulungen für das Thema sensibilisieren. "Es geht um den richtigen Umgang mit Unterschieden", betont Wallner.
Einer der augenfälligsten Unterschiede ist bei jungen Musliminnen das Tragen des Kopftuchs. Ali-Pahlavani, selbst Muslima, sieht dies nicht als Ausdruck für Fundamentalismus oder eine bewusstere Religionsausübung. "Wenn man einen bestimmten Aspekt einer Religion, einer Kultur in der Öffentlichkeit angreift, wird dieser als schützenswert angesehen", betont Ali-Pahlavani. Sie selbst habe den Iran verlassen, um nicht mehr ein Kopftuch tragen zu müssen, habe sich aber im Zug der öffentlichen Islam-Debatte wieder verstärkt mit ihrer Religion befasst. Manche Jugendliche wollten mit dem Kopftuch schlicht schockieren. "Man kann heute mit nichts so gut auffallen wie mit dem Kopftuch."
Website Arbeiterkammer
Website Zara - Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit