Die Verachtung für "die da oben" eint den dumpfen Stammtisch mit der leidenschaftlichen Parteibasis.
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"Alles Versager" ist sich der Stammtisch von links außen bis ganz weit rechts einig, kein echtes Herz, null Authentizität mäkeln die Medien auf nur unwesentlich höherem Niveau, und dann kommt auch noch Vivienne Westwood daher und befindet: "alles Verbrecher". Womit die Mode-Ikone beweist, dass auch vermeintlich kluge Leute nicht vor verbalen Dummheiten gefeit sind.
Wenn die Emotionen so hochgehen, kann es sich nur um Politik drehen; und weil auch Gefühlen der Drang zur Personalisierung innewohnt, taugen Politiker wunderbar als negative Bezugspunkte.
Allerdings fallen Politiker nicht als solche vom Himmel. Das wirft die Frage auf, ob vielleicht mit unseren Auswahlverfahren das eine und vielleicht auch andere nicht stimmt. Und: Könnte eine andere Form der Politikerselektion zu besseren Ergebnissen im Verhältnis von Bürgern und Volksvertretern führen? Womöglich, aber keineswegs gewiss. Die Erfahrungen anderer Staaten mit anderen Verfahren sind durchaus ambivalent.
Österreich schwört bekanntlich auf den patriarchalischen Top-down-Prozess: Eine kleine Gruppe mächtiger Männer entscheidet hinter verschlossenen Türen, wen sie denn so als Besten/Beste für das Land finden. Im günstigsten Fall dürfen die Wähler anschließend auch noch eine Meinung kundtun.
Im angelsächsischen Raum schwören die Parteien dagegen auf die Urwahl durch die Parteimitglieder, um einen neuen Chef zu küren. Auch das ist nicht zwingend der Weisheit letzter Schluss, wie gerade die britische Labour-Party demonstrierte.
Und das ging so: Erschüttert von der Erfolglosigkeit ihrer jüngeren Geschichte und abgestoßen von der Art, wie Tony Blairs "New Labour" Wahlen und Wähler gewann, entschloss sich die Parteibasis mit erstaunlicher Mehrheit zu einem radikalen Experiment: Die nüchterne politische Arithmetik hätte vermuten lassen, dass Labour nach der Niederlage mit einem geschmeidigen Salonlinken an der Spitze, dessen linkes Programm keine Mehrheit fand, nun wieder in der Mitte rücken würde. Eindeutig zu wenig Herz und Charisma, lautete der einhellige Befund.
Das sah auch die Parteibasis so, doch folgte sie nicht dem naheliegenden politischen Kalkül, sondern ihrer ungestillten Sehnsucht nach authentischer linker Politik: Statt in die Mitte zu rücken, wählte sie Jeremy Corbyn, dessen Biografie mit fast schon kitschiger Perfektion den Traum von einer grundsätzlichen anderen Politik vorlebt.
Die Entscheidung kann man ziemlich blöd finden, wie es der sozialdemokratische Premier Italiens, Matteo Renzi, recht unverhohlen formulierte, indem er Labour sinngemäß einen politischen Todestrieb attestierte, oder bewundern ob des romantischen Siegs der Fantasie über die graue Realpolitik des vermeintlich Machbaren.
Problematisch bleibt eine Partei, die gar nicht bei allgemeinen Wahlen gewinnen will, aber auf jeden Fall. Und zwar allein schon deshalb, weil sie als natürliches Gegengewicht zur Macht der Regierungspartei auf absehbare Zeit ausfällt. Die Angst vor der Niederlage ist das wirksamste Rezept gegen Machtmissbrauch.
So gesehen ist Wille zum Wahlsieg tatsächlich eine demokratische Tugend von hohem Wert.