Ulrike Lunacek, die Spitzenkandidatin der Grünen, ist um Schadensbegrenzung in der Causa Peter Pilz bemüht.
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Wien. Wer wissen will, wie lange der Weg ist, den die Grünen bereits zurückgelegt haben, kann die Aufregung der Öffentlichkeit über den Abgang Peter Pilz’ von der politischen Bühne als guten Maßstab nehmen. Eigentlich sind die Grünen ja angetreten, die politische Kultur zu revolutionieren. Dazu gehörte unter anderem, ihre politischen Funktionäre (und -innen) im Rotationsprinzip permanent zu erneuern.
Das war 1986 - und damals ist Peter Pilz auch zum ersten Mal in den Nationalrat eingezogen. Am Sonntag ist das mittlerweile 63-jährige politische Urvieh nun bei einer Kampfabstimmung um den vierten Listenplatz auf dem grünen Bundeskongress in Linz gegen den weithin unbekannten Kärntner Jungpolitiker Julian Schmid unterlegen. Worauf Pilz seinen Abschied von der Politik erklärte.
Seit dem geht es rund im tendenziell grün-affinen politisch-medialen Komplex. Pilzens Niederlage wird auf den diversen Sozialen Medien als Pyrrhus-Sieg der grünen Basis bewertet, als Selbstfaller im längst laufenden Nationalratswahlkampf für den 15. Oktober. Tatsächlich ging die Bestätigung des neuen Spitzenduos völlig unter. Dabei erhielt Neo-Parteichefin Ingrid Felipe 93 Prozent und Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek sogar etwas mehr als 96 Prozent. Doch alle sprechen über Peter Pilz.
"Wiener Zeitung: Haben Sie in den letzten zwei Tagen Sebastian Kurz beneidet?Ulrike Lunacek: Ich beneide Kurz ganz sicher nicht.
Sind Sie sich da sicher angesichts der Aufregung, welche die Listenerstellung durch die grünen Delegierten beim Bundeskongresse jetzt verursacht?
Ja, und zwar schon aus dem einen Grund, dass das, was Sebastian Kurz macht, nämlich die ÖVP-Listen in völliger Eigenregie aufzustellen, in Deutschland etwa verboten ist. Bei unserem nördlichen Nachbarn sind die Parteien verpflichtet, für die Listenerstellung demokratische Wahlen abzuhalten; in Österreich sind wir Grünen die Einzigen, die das so machen.
Trotzdem wird diese Entscheidung der grünen Delegierten in einer für Ihre Partei ohnehin schwierigen Situation noch lange in den Sommer nachhallen. Dabei wurden Sie persönlich mit beachtlichen 96 Prozent gewählt. Das grenzt an politische Selbstbeschädigung.
Sicher nicht. Es war eine demokratische Wahl, und ich selbst habe noch versucht, Peter Pilz davon zu überzeugen, auch für den sechsten Listenplatz zu kandidieren, den er mit Sicherheit auch bekommen hätte. Wir alle haben versucht, ihn davon zu überzeugen. Doch Peter Pilz hat das leider abgelehnt, das muss man akzeptieren. Allerdings ist er bereit, mit mir darüber zu sprechen, wie er mich im Wahlkampf unterstützen kann. Das will er tun, und darüber freue ich mich sehr.
Wenn Sie sagen, alle haben versucht, Pilz zu überreden: Hat er dann vielleicht den großen Abgang gesucht, einen mit Pauken und Trompeten? Immerhin hatte er ja schon im Vorfeld angekündigt, nur für den vierten Platz zu kandidieren und für keinen anderen?
Das müssen Sie ihn fragen. Vielleicht war es am Sonntag auch so, dass ihm viele Delegierte nicht geglaubt haben, dass er es dieses Mal wirklich ernst meint mit seiner Ankündigung.
Unabhängig jetzt von Peter Pilz: Ist diese Form der Listenerstellung der Weisheit letzter Schluss? Es war ja nicht das erste Mal, dass Entscheidungen zu erheblicher Unruhe in der Partei geführt haben.
Es bleibt, wie es ist. Jeder weiß bei uns, wie es läuft: transparent und demokratisch.
Sie sind Europapolitikerin und jetzt plötzlich Spitzenkandidatin für die Nationalratswahl. Ist das politisch nun ein Abstieg oder doch ein Karrieresprung?
Weder noch, es ist vielmehr eine Fortsetzung von dem, was ich bereits seit langer Zeit mache, nämlich mich für die Menschen einzusetzen und grünen Anliegen zum Durchbruch zu verhelfen, egal auf welcher Ebene. Und überhaupt: Europapolitik ist Innenpolitik, das kann man gar nicht trennen, das gehört zusammen. Ich will, dass es auch weiter eine starke Stimme für Europa in Österreich gibt und umgekehrt. Ich wehre mich dagegen, Österreich und Europa gegeneinander auszuspielen, wie es etwa die FPÖ macht, dagegen gilt es anzukämpfen.