Wollen Sie sich die österreichische Unabhängigkeitserklärung im Original anschauen? Geht leider nicht. | Kennen Sie "Das Vermächtnis der Tempelritter"? In diesem Hollywood-Blockbuster jagt Nicolas Cage (Jon Voight und Harvey Keitel adeln diese cinematographische Meterware in Nebenrollen) in einer abenteuerlichen Schnitzeljagd einem sagenumwobenen Goldschatz hinterher, der angeblich von den Nachkommen der Tempelritter und Freimaurer versteckt wurde.
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Um ihn zu finden, muss der Held jedoch in den Besitz der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung gelangen, auf deren Rückseite ein Hinweis auf das Versteck des Schatzes . . . und so weiter.
Warum ich Ihnen das erzähle? Nun, um an die US-Unabhängigkeitserklärung zu gelangen, muss Cage einen ausgetüftelten Sicherheitsapparat überlisten. Immerhin geht es um die Geburtsurkunde einer Nation.
Und was ist aus Österreichs Unabhängigkeitserklärung vom 27. April 1945 geworden, die Karl Renner, Chef der provisorischen Bundesregierung, sowie die drei Parteichefs von ÖVP, SPÖ und KPÖ - Leopold Kunschak, Adolf Schärf und Johann Koplenig - im Roten Salon des Wiener Rathaus unterzeichneten?
Die ist leider unauffindbar. In den Wirren jener Tage - der Kampf der Roten Armee um Wien endete erst am 13. April - muss die Unabhängigkeitserklärung verloren gegangen sein, mutmaßt der Zeithistoriker Oliver Rathkolb. Auch im Staatsarchiv finden sich keine Spuren der Unabhängigkeitserklärung, gibt Generaldirektor Lorenz Mikoletzky bedauernd zu Protokoll. "Manchmal gehen eben auch bedeutende Dinge verloren." Die Verzichtserklärung von Kaiser Karl 1918 sei etwa nur noch erhalten, weil sie zufällig abfotografiert wurde, bevor das Original ein Raub der Flammen beim Brand des Justizpalastes 1927 wurde.
Der Historiker und Leiter des Karl-von-Vogelsang-Instituts, Helmut Wohnout, vermag darin allerdings keine nationale Tragödie erkennen: "Zeitgeschichtlich betrachtet ist die Unabhängigkeitserklärung nicht rasend relevant, weil sie improvisiert im Wiener Rathaus zustande gekommen ist und ad hoc verlautbart wurde."
Dieser Einschätzung widerspricht Mikoletzky: Für ihn hat die Erklärung sehr wohl einen bedeutenden historischen Stellenwert, "weil damit das Ende der NS-Zeit für Österreich proklamiert wurde".
Immerhin hat die Unabhängigkeitserklärung in Flugblattform in einigen Exemplaren überlebt - und natürlich im Staatsgesetzblatt, wie Günther Scheffbeck, der Leiter des Parlamentsarchivs erklärt. In seinen Beständen findet sich allerdings nur die Fotoreproduktion eines solchen Flugblattes.
Scheffbeck hält es übrigens für gar nicht so gesichert, dass es überhaupt ein Original der Unabhängigkeitserklärung im herkömmlichen Sinn gegeben hat. Nicht selten hätten solche Dokumente nämlich die Form einer Beschlussausfertigung. Gegen diese Variante spricht aber, dass sich im Staatsgesetzblatt das Kürzel "mp" (für manu proprio und bedeutet "eigenhändig [unterzeichnet]") findet. Und das wiederum, gesteht auch Scheffbeck zu, deutet doch auf die Existenz einer Originaldokuments hin. Verschollen bleibt es trotzdem.