Nach Erfolgen in den USA hält die Sharing Economy in Österreich Einzug.
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Wien. In dieser Situation war wohl jeder schon einmal: Das neu gekaufte Bücherregal wackelt stärker als erwartet und muss in die Wand geschraubt werden. Der eigene Akkuschrauber ist für das alte Ziegelgemäuer aber weit unterdimensioniert, ein Schlagbohrer muss her. Aber wer kauft sich schon für ein einziges Regal einen Schlagbohrer? Das Geld hätte man besser gleich in das Aufbauservice des Möbelhauses investieren können.
Es gibt eine Lösung für dieses Problem und gleich zwei englische Fachbegriffe dafür: "Sharing Economy" oder "Collaborative Consumption". Dahinter steht ein einfaches Konzept. Statt Gegenstände oder Räume, in die man einmal investiert hat, ungenutzt zu lassen, stellen die Eigentümer sie der Allgemeinheit zur Verfügung und können sich damit ein kleines Körberlgeld verdienen.
Trend schwappte aus den USA nach Europa über
Die Idee kommt aus den USA, wo zwei Jungdesigner 2008 die Plattform airbnb.com gegründet haben, über die Wohnungen kurzzeitig vermietet werden können. 2012 wurden laut dem US-Magazin "Forbes" zwischen 12 und 15 Millionen Nächtigungen weltweit über die Plattform gebucht. Insgesamt, so schätzt "Forbes", werden heuer mehr als 3,5 Milliarden Dollar (2,7 Milliarden Euro) Gewinne in den USA durch Sharing Economy erwirtschaftet - das Wachstum der Branche liegt demnach bei mehr als 25 Prozent.
Auch nach Europa ist der Trend bereits übergeschwappt, wenn es auch noch keine Umsatzzahlen gibt. Wie eine repräsentative Umfrage des Hightech-Verbands Bitkom ergeben hat, teilen bereits 83 Prozent aller Internetnutzer in Deutschland online digitale Inhalte, immerhin 17 Prozent auch materielle Güter.
In Österreich war dieses Feld bisher unbeackert - abgesehen von Car- und Fahrradsharing-Aktivitäten wie den Citybikes oder den weißblauen Car2Go-Smarts. Diese Lücke hat sich nun Markus Heingärtner mit der Online-Plattform www.usetwice.at gesichert.
"Wohnungstausch gab es schon immer", sagt er im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Er nutze privat gerne Angebote wie airbnb. "Also dachte ich mir: Wieso macht man nicht so eine Plattform für die Dinge, die in der Wohnung aufbewahrt werden?"
Vor einem Jahr hängte Heingärtner seinen Job als Geschäftsführer des Management Clubs an den Nagel und baute gemeinsam mit seinem Bruder Thomas und dem Web-Entwickler Christof Furxer die Seite auf. Das Konzept ist ebenso einfach wie genial: Nach einer Registrierung als User kann jeder Geräte, Kleidung oder sonstige Gebrauchsgegenstände unter Angabe des Orts und des Tagesmietpreises online stellen. Interessenten tragen sich in einen Kalender ein, der Vermieter wird über den potenziellen Kunden informiert und kann mit ihm Kontakt aufnehmen. Bei einem Treffen wechselt der Gegenstand gegen Bares kurzfristig den Besitzer. Für die Website wirft die Vermietung noch kein Geld ab -demnächst soll aber die Online-Bezahlung eingeführt werden, über die Heingärtner und seine Partner dann 15 Prozent des Mietpreises als Provision einbehalten.
"Vertrauen wird zur Währung"
Auch der Einbau einer Versicherungsoption wird angedacht. Denn was, wenn der ausgeliehene Bohrer kaputt oder verschmutzt wieder nach Hause findet? Das sei bisher allerdings noch nie passiert. Denn in der Sharing Economy "wird Vertrauen zur Währung", sagt Heingärtner. Die Vermieter würden zwar dazu angehalten, eine Kaution zu verlangen, aber wenn man einen Gegenstand persönlich abhole, passe man viel besser darauf auf als bei anonymen Transaktionen.
In den ersten drei Monaten haben sich 300 User angemeldet, 50 bis 60 Gegenstände wurden vermittelt. Sein Ziel ist es, in einem Jahr 2000 Gegenstände alleine in Wien anzubieten, in zwei Jahren sollen es 5000 bis 6000 sein - mit einer derartigen Dichte sei gewährleistet, dass der benötigte Gegenstand in der unmittelbaren Nachbarschaft oder am Weg zum Büro zu finden ist.
Auch eine Expansion ins Ausland wünscht sich der Gründer. Kommerzielle Vermieter als Kunden werden nicht angepeilt, sehr wohl aber kann sich Heingärtner ein "Business to Business"-Angebot vorstellen. Beispielsweise könnte eine PR-Agentur ungenutzte Seminarräume an eine andere vermieten.
Gefragt, ob für ihn auch die soziale Komponente eine Rolle spielt, meint Heingärtner: "Ich bin kein Sozialromantiker" - Eigentum sei eine Grundvoraussetzung für Sharing Economy. Allerdings "schafft man sich auch mehr Möglichkeiten, wenn man weniger Besitz hat". Er selbst zum Beispiel habe nie ein Auto besessen. "Das möchte ich auch anderen Leuten ermöglichen."
Mehr Freiheit durch den Verzicht auf Eigentum
Auch Josef Hochgerner, wissenschaftlicher Leiter des Zentrums für Soziale Innovation, spricht von einem Zuwachs an Freiheit durch den Verzicht auf Eigentum. Neben der Kostenersparnis hat er auch den schonenderen Umgang mit Ressourcen und den sozialen Austausch im Blick.
So findet man vielleicht im Vermieter des eingangs erwähnten Schlagbohrers einen Leidensgenossen in Sachen mieser Konsistenz von Altbauwänden.
www.usetwice.at