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Leihmutterschaft ist Kinderhandel

Von Eva Maria Bachinger

Gastkommentare

Wie weit gehen Medizin und Gesetz, um Wohlhabenden Kinderwünsche zu erfüllen? Ethische Bedenken werden im internationalen Geschäft mit der Reproduktionsmedizin gern ignoriert.


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"Wenn ein Paar mit einer Frau eine Leihmutterschaft ausmacht, wer bin ich, um dagegen zu sein?", sagt eine Psychologin, die Kinderwunschpaare berät. Verbote würden die Kommerzialisierung nicht ändern. Und wer habe das Recht, dem Familienglück im Wege zu stehen?

Eine Leihmutter ist in der Regel nicht die genetische Mutter des Kindes. Sie soll den Embryo der Wunscheltern austragen, der mit einer Spendereizelle im Zuge einer künstlichen Befruchtung erzeugt worden ist. Das ist juristisch kompliziert und in vielen Staaten - noch - verboten, auch in Österreich. Umgangen wird jedoch das Verbot von Paaren, die im Ausland eine Leihmutter engagieren und das Kind dann nach Österreich bringen. EU-Staaten wie Tschechien, Ungarn oder Rumänien haben keine speziellen Gesetze, was vieles im Graubereich ermöglicht.

Recherchen ergeben den Eindruck: Private, rein selbstlose Vereinbarungen ohne Geldflüsse sind Einzelfälle. Überwiegend geht es um nüchterne Geschäftsbeziehungen zwischen wohlhabenden Wunscheltern und weniger wohlhabenden Leihmüttern. Und selbst die in Großbritannien und Griechenland erlaubte "altruistische Leihmutterschaft" sieht gesetzlich eine "angemessene Aufwandsentschädigung" vor. Das können in Großbritannien bis zu 18.000 Euro sein. Wenn man buchstäblich mit einem Bündel Geld vor der Nase von Frauen wedelt, die sich Sorgen machen müssen, wie sie Essen und Schule für ihre Kinder zahlen sollen, ist es zynisch, hier von "Selbstlosigkeit" zu sprechen.

Der Frauenkörper wird durch und durch kommerzialisiert

Nun kommt es zu "Engpässen" in den wohlhabenden Ländern, da es dort nicht so viele "selbstlose" Leihmütter gibt. Wir sind als Konsumenten gewohnt, stets das billigste Angebot zu suchen. Und das findet man in ärmeren Ländern. In den USA kostet ein Verfahren mehr als 100.000 Euro, in Russland ist ein All-inclusive-Paket für 60.000 Euro zu haben, in Mexiko oder Indien für rund 30.000 Euro. Dass mit liberaler Gesetzgebung der "Reproduktionstourismus" eingedämmt werde, wie oft behauptet wird, ist daher unrichtig. Der Frauenkörper wird durch und durch kommerzialisiert. Schwangerschaft wird zur "Reproduktionsarbeit" und zur "Dienstleistung". Das "Produkt" dieser "Arbeit" ist das Kind.

Ein fremdes Kind auszutragen, stellt für die gebärende Frau einen tiefgreifenden Eingriff dar, sowohl medizinisch als auch psychologisch. Offenbar weil die künstliche Befruchtung mit völlig körperfremden Keimbahnzellen durchgeführt wird, müssen die Frauen gehäuft Fehlgeburten verkraften. Sie müssen das "Fremde" in sich annehmen, gleichzeitig sollen sie aber auf Distanz zum Kind bleiben. Werte, die uns sonst wichtig sind, wie der Beziehungsaufbau zwischen Mutter und Ungeborenem, werden außer Kraft gesetzt.

Ärzte und auch Paare sprechen oft von einer "Win-win-Situation" für alle Beteiligten. Wie langfristig dieser Gewinn für die Leihmutter tatsächlich ist und mit welchen Nebeneffekten Kinder leben müssen - diese ethischen Überlegungen werden gerne ausgeblendet. Am meisten Nutzen haben letztlich Vermittlungsagenturen und Kliniken. Trotz der spärlichen Informationen über die Auswirkungen der Leihmutterschaft gibt es massive Lobbyarbeit seitens der Befürworter; nicht selten verdienen diese auch selbst damit gutes Geld.

Über die Schwangerschaft entscheiden alle anderen

Die Leihmütter stehen unter Druck, nur gesunde Kinder zu gebären. Über einen Abbruch entscheiden letztlich die Ärzte und Wunscheltern und nicht die Leihmutter. In Verträgen wird ihr alles genau vorgeschrieben: regelmäßige Kontrollen, gesund essen, keine schweren Dinge heben (inklusive Kinder), keine Reisen, anfangs kein Geschlechtsverkehr, usw. Auch über die Art der Entbindung kann die Leihmutter nicht selbst entscheiden.

Paare mit unerfülltem Kinderwunsch leiden. Für sie ist der Weg bis zur Entscheidung, eine Leihmutterschaft in Anspruch zu nehmen, meist ein langer und schmerzlicher Prozess, häufig nach vielen Jahren der gescheiterten Versuche der In-vitro-Fertilisation. Sie wollen sich mit Zweifeln und Bedenken nicht lange auseinandersetzen, um ihren Wunschtraum nicht loslassen zu müssen. Für homosexuelle Paare hingegen ist der Weg oft direkter. In Gesprächen kommt klar "ein Recht auf ein Kind" zur Sprache. Einwände seien homophob oder zumindest diskriminierend.

Der Slogan "Recht auf ein Kind" wird inflationär eingesetzt, um vermeintliche Menschenrechte durchzusetzen. In der Menschenrechtskonvention ist das Recht auf Familien- und Privatleben festgehalten, doch daraus lässt sich kein absolutes Recht ableiten. Es gibt kein individuelles Recht auf ein Kind. Kein Mensch darf daran gehindert werden, eine Familie zu gründen. Aus diesem "Abwehrrecht" folgt jedoch nicht im Umkehrschluss ein "Anspruchsrecht", weder auf einen Partner noch auf ein Kind. Die wenigsten Menschenrechte gelten absolut, sie sind immer mit Rechten anderer Schutzwürdiger abzuwägen. Die Kinderrechtskonvention, die von den meisten Staaten - mit Ausnahme der USA - anerkannt ist, zeigt der Reproduktionsmedizin die nötigen rechtlichen Grenzen auf. Dazu gehören auch ein globales Verbot von anonymen Keimzellenspenden (Artikel 7: Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Eltern) und Leihmutterschaft (Artikel 35: Recht des Kindes, nicht gegen Geld gehandelt zu werden).

Denn die Praxis der Leihmutterschaft führt zu Kinderhandel, da eine Leihmutter ihr Geld in der Regel erst dann erhält, wenn sie ein (gesundes) Kind "liefert". Die Kinderrechtskonvention und die Menschenrechtskonvention garantieren das Recht auf Wissen um die eigene Herkunft und Identität. Leihmutterschaft basiert aber in den allermeisten Fällen auf anonymen oder schwer zugänglichen Daten. Das Recht, seine eigenen genetischen/leiblichen Eltern zu kennen, wird den Kindern systematisch verweigert.

Die Haager Konferenz für internationales Privatrecht debattiert derzeit darüber, Standards für die Praxis der Leihmutterschaft festzulegen. Das klingt durchaus vernünftig, hätte aber zur Folge, dass nationale Verbote wie jenes in Österreich ausgehöhlt würden. Bisher finden die Beratungen und Abstimmungen ohne eine breite öffentliche Debatte statt. Es werden nur Reproduktionsmediziner und Juristen um ihre Expertise gebeten. Andere Berufsgruppen wie Kinderärzte, Psychologen, Hebammen oder Psychotherapeuten, die mit den negativen Folgen dieser Medizin zu tun haben, werden nicht gehört, ebenso wenig die betroffenen Kinder und Jugendlichen sowie die Leihmütter und Spenderinnen.

Es formiert sich deshalb Widerstand: In Frankreich, Großbritannien, Schweden, Italien, Rumänien und nun auch in Österreich haben sich Experten zusammengeschlossen, um für ein weltweites Verbot der Leihmutterschaft einzutreten (www.stoppt-leihmutterschaft.at). In einer Stellungnahme wird ausführlich beschrieben, warum man für ein Verbot eintritt. Unabhängig von der jeweiligen Weltanschauung sind sich die Experten dabei in einem Punkt völlig einig: Leihmutterschaft widerspricht den Menschen- und Kinderrechten.

Veranstaltungstipp:

Podiumsdiskussion der Initiative "Stoppt Leihmutterschaft":
Montag, 5. März, 14 bis 17 Uhr
Amerlinghaus, Stiftgasse 8, 1070 Wien
www.stoppt-leihmutterschaft.at