Zum Hauptinhalt springen

Leimrute für Spitzenforscher

Von Markus Kauffmann

Kommentare
Markus Kauffmann , seit 22 Jahren Wiener in Berlin, macht sich Gedanken über Deutschland.

Am Donnerstag wurden zum ersten Mal Humboldt-Professuren vergeben, mit denen Spitzenforscher nach Deutschland gelockt und fünf Jahre gehalten werden sollen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Der von der Académie des sciences als "neuer Aristoteles" gepriesene Berliner Naturforscher und Polyhistor Alexander von Humboldt wird hierzulande als "Wissenschaftsfürst" gefeiert. Spätestens seit Daniel Kehlmanns Roman "Die Vermessung der Welt" ist er wieder im Fokus breiterer Bildungsschichten.

Nach ihm sind jene höchstdotierten Professorenstellen benannt, die von der gleichnamigen Stiftung in dieser Woche zum ersten Mal vergeben wurden, und zwar an acht im Ausland tätige Wissenschafter. Die Preissumme von bis zu fünf Millionen Euro pro Forscher fließt vor allem in den Aufbau von Forschungsteams und die Ausstattung von Laboren.

Im Gegenzug verpflichten sich die Hochschulen, Forscher und ihre Teams in ein Konzept einzubinden, das den Preisträgern eine dauerhafte Perspektive in Deutschland bietet. Das Preisgeld ist für die Finanzierung der ersten fünf Jahre in Deutschland bestimmt. Die betroffenen Unis bemühen sich natürlich sehr, die begehrten Superhirne an ihre Einrichtung zu binden, helfen ihnen bei der Wohnungssuche, stellen den Ehepartnern gute Jobs zur Verfügung et cetera. So hofft man den transatlantischen "brain drain" zu stoppen. Aus dem Roten Teppich soll eine Leimrute werden.

Schon wenige Monate nach dem Tod Alexander von Humboldts wurde die Stiftung gegründet, hauchte aber zweimal ihr Leben aus, bis sie 1953 in Bonn wieder errichtet wurde. Jährlich ermöglicht sie über 1800 Forschern aus aller Welt einen wissenschaftlichen Aufenthalt in Deutschland und pflegt ein Netzwerk von 23.000 Humboldtianern aller Fachgebiete in 130 Ländern - unter ihnen 40 Nobelpreisträger.

Künftig will die Stiftung jährlich bis zu zehn der vom Forschungsministerium finanzierten Professuren verleihen. Bei der diesjährigen Premiere kam als einzige Frau die Molekularbiologin Ulrike Gaul zum Zuge, die nach München geht. Ihre Arbeiten an der Fruchtfliege Drosophila trugen maßgeblich zum Verständnis der Genregulation in Entwicklungsprozessen bei. Ihr Labor hat zudem zahlreiche neue Gene entdeckt, die die Etablierung der Blut-Hirn-Schranke des Gehirns und die wirksame Beseitigung absterbender Neurone durch sogenannte Gliazellen steuern. Man hat sie der Rockefeller University in New York abgeworben, einer der weltweit führenden biomedizinischen Forschungsuniversitäten.

Gleichfalls München ist das Ziel des georgischen Astrophysikers Georgi Dvali und des Bioinformatikers Burkhard Rost. Er will sich in Deutschland vor allem neuen Fragen in der Bioinformatik widmen, etwa: "Was mache ich mit all den Daten, die entstehen, wenn man Therapien anbietet, die mehr und mehr auf den einzelnen Menschen zugeschnitten sind?"

Von Yale nach Köln zieht es den ungarischen Neurobiologen Tamas L. Horvath, der den Wissenschafts-Standort Köln zum international führenden Zentrum zur Erforschung der Biologie des Alterns und altersbedingter Krankheiten ausbauen soll. Hierzu ist die Zusammenarbeit mit dem neu in Köln angesiedelten Max-Planck-Institut für die Biologie des Alterns sowie mit dem im Aufbau befindlichen Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen der Helmholtz-Gemeinschaft vorgesehen.

Nach Bonn geht der Astrophysiker Norbert Langer; der Quantenphysiker Martin Bodo Plenio nach Ulm. Zwei Forscher kommen in die Hauptstadt, der deutsche Informatiker Oliver Brock und der Festkörperphysiker Piet Wibertus Brouwer aus den Niederlanden. Mit einem Wort: Ein Großimport des Geistes.