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Leise ist der letzte Schrei

Von Alexander Dworzak aus Oslo

Politik

Oslo will auch Busse und städtische Flotte auf E-Antrieb umstellen.


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Aus Oslos Stadtbild nicht mehr wegzudenken sind die Elektroautos - Ladestationen und -kabel am Gehsteigrand inklusive. Dworzak

Oslo. Tiefergelegte Karosserien, Heckspoiler mit bügelbrettähnlicher Fläche oder die obligatorische Doppelrohr-Auspuffanlage: An den Rändern Wiens und in den umliegenden Gemeinden fauchen aufgemotzte Mittelklasseautos gerne um die Wette. Oslo ist dagegen in jeglicher Hinsicht beschaulich: In Norwegens 600.000 Einwohner zählender Hauptstadt franst das Zentrum nicht in Fachmarktwüsten und Shoppingcentern aus, die Peripherie ist nicht Spielplatz manch spätpubertärer PS-Träume. Weder dort, und erst recht nicht im hippen Viertel Grünerløkka oder im mondänen Bygdøy grollen die Motoren - sie schnurren beinahe lautlos vor sich hin. Wer etwas auf sich hält, fährt ohne Spoiler - und ohne Verbrennungsmotor.

Der Elektroauto-Boom hat mittlerweile das gesamte Land erfasst. Zwölf Prozent aller im November in Norwegen verkauften Pkw sind E-Mobile - Österreich dümpelt bei 0,5 Prozent. Zwar ist der norwegische Automarkt von vergleichsweise bescheidener Größe: Lediglich 12.000 Autos wurden dort im vergangenen Monat registriert; in Österreich waren es fast doppelt so viele und in Deutschland 255.000 Pkw. Doch nirgends sonst auf der Welt sind die Elektroautos im Vergleich zum Gesamtmarkt derart bedeutend. Teslas umgerechnet 80.000 Euro teure Limousine S duelliert sich mit dem konventionell angetriebenen VW Golf um die Spitze in der Zulassungsstatistik, mit dem Kompaktwagen Nissan Leaf kommt ein weiteres E-Auto unter die ersten fünf Plätze.

In Wien 6720 Euro teurer, in Oslo 1670 Euro günstiger

"In Oslo gibt es einen parteiübergreifenden Konsens, die Elektroautos zu fördern", sagt Marit Vea, Beraterin von Oslos liberaler Vizebürgermeisterin, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Dementsprechend forciert die Kommune die Infrastruktur für Elektromobile: 700 städtische Ladestationen stehen innerhalb Oslos zur Verfügung, Ende 2014 sollen es bereits 900 sein - zusätzlich zu den rund 1000 privat betriebenen Ladestationen. Zum Vergleich: Wien, das knapp dreimal so viele Einwohner wie Oslo zählt, verfügt derzeit über lediglich 136 Elektrotankstellen. Da Norwegen seinen Strom zu 99 Prozent aus Wasserkraft erzeugt, sind die E-Mobile tatsächlich umweltfreundlich - anders als in Deutschland oder Polen, wo man sich auf Kohlekraftwerke stützt.

Obendrein freuen sich die Besitzer von Leaf & Co über Gratis-Parkplätze im gesamten Stadtgebiet, und auch die City-Maut wird ihnen erlassen. Aus Oslos Stadtbild sind die Fahrzeuge daher nicht mehr wegzudenken, von schräg parkenden Mini-E-Mobilen im kantig-antiquierten Design bis zum mondänen Tesla, der knapp fünf Meter lang ist. Im hohen Norden ist der Besitz eines Elektroautos zudem nicht nur schick und beliebt ob der vielen Lademöglichkeiten, sondern auch finanziell reizvoll. Weder ist die Mehrwertsteuer in Höhe von 25 Prozent zu entrichten, noch fallen Abgaben für Zulassung und Import - deren Steuer auch von den CO2-Emissionen des Autos abhängig ist - oder Zoll an. Die Konsequenz: Kostet der elektroangetriebene Nissan Leaf gegenüber dem konventionellen VW Golf in Österreich in der Basisversion um 6720 Euro mehr, ist das Fahrzeug der japanischen Marke im Hochpreisland Norwegen um umgerechnet 1673 Euro günstiger als der Volkswagen.

Zweitauto für Vermögende zur Stauvermeidung?

Privilegiert: Kostenlose Parkplätze sind für E-Autos reserviert.

Die vielen Vorteile bergen jedoch Konfliktpotenzial: Die Elektrofahrzeuge, erkennbar in Norwegen an ihren mit "EL" beginnenden Nummerntafeln, dürfen auch die Fahrspuren der öffentlichen Verkehrsmittel mitnutzen. Während die Lenker anderer Fahrzeuge insbesondere auf den Zufahrtsstraßen nach Oslo morgens und abends im Stau stehen, brausen die E-Mobile auf der Busspur an den anderen Pendlern vorbei.

Kritiker fürchten, der Boom wird durch wohlbetuchte Autobesitzer, die sich ein Zweitvehikel zur Stauvermeidung unter der Woche anschaffen, zusätzlich befeuert. Nachdem die Nutzung der Busspuren stark angestiegen ist, wurde bereits darüber diskutiert, manche Begünstigungen wieder zu reduzieren. "Das Problem ist aber weniger eines von Oslo als von einzelnen Umlandgemeinden. Es bleibt also beim Status quo. Denn schließlich sind noch immer 99 Prozent aller in Norwegen zugelassenen Autos keine Elektromobile", sagt Marit Vea. Auch die steuerlichen Anreize bleiben bis 2017 aufrecht.

Oslos Stadtverwaltung geht unterdessen einen Schritt weiter und tauscht ihre Flotte von 1000 Pkw bis 2015 gegen Elektrofahrzeuge ein. Auch die Busse der Verkehrsbetriebe, derzeit mit Flüssiggas unterwegs, sollen bis 2020 auf Elektroantrieb umgestellt werden. Und Oslos Stadtrat überlegt derzeit, die Taxifahrer an die kurze Emissionsleine zu nehmen; ab 2023 könnten auch hier Benziner und Dieselfahrzeuge der Vergangenheit angehören.

Kompromisslos setzt Norwegens Kapitale ihr Ziel um, bis 2030 den Ausstoß von Treibhausgasen zu halbieren. Denn Oslo wächst rasant; bis zu 200.000 weitere Einwohner werden prognostiziert. Doch schon heute leiden die Bürger unter der Inversionswetterlage. Zur Verbesserung der schlechten Luftqualität wollte Oslo auch nicht vor einer Maßnahme zurückschrecken, die in Österreich - hierzulande werden 56 Prozent aller heuer verkauften Pkw mit Diesel betankt - undenkbar wäre: Bei besonders schlechten Emissionswerten sollte für dieselbetriebene Autos in Oslo Fahrverbot gelten. Das Ansinnen scheiterte jedoch an der Behörde, die die in Staatsbesitz befindlichen Straßen in der Stadt verwaltet. Nicht einmal in Norwegen ist also jede Öko-Maßnahme durchsetzbar.