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Leistbares Wohnen - nicht nur für Flüchtlinge

Von Werner Reisinger

Politik
© Fotolia

Wohnraum in Ballungszentren ist rar und wird immer teurer. Experten erklären, wie man gegensteuern kann.


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Wien. Österreichs städtische Zentralräume wachsen rapide. Nicht nur das in den Ballungszentren vorhandene Arbeitsplatzangebot, sondern auch soziale und kulturelle Angebote lassen vor allem junge Menschen aus den ländlichen Regionen in die Städte abwandern - Flüchtlinge stellen hier keine Ausnahme dar. Gemeinden, die Asylwerber aufgenommen haben, leisten zum Teil Erhebliches, um den meist jungen Menschen möglichst rasch Deutsch beizubringen und ihnen, so sie als anerkannte Flüchtlinge bleiben dürfen, eine Perspektive am Arbeitsmarkt zu bieten. Nicht ohne Grund - bedeuten doch gerade für Abwanderungsregionen, die als Standort für Betriebe nicht unattraktiv werden wollen, arbeitssuchende Flüchtlinge eine Chance. Nach Erhalt eines positiven Asylbescheids zieht jedoch jeder zweite Syrer nach Wien oder in eine andere Großstadt weiter, wissen beispielsweise Bürgermeister aus der steirischen Region Weiz zu erzählen. Zusammen mit der ohnehin stattfindenden Landflucht stellt dieser Zuzug für die Städte eine enorme Herausforderung dar. Wie also dem Problem entgegenwirken?

Zusammen mit anderen Kollegen und Studierenden hat Thomas Dillinger, Raumplaner an der Technischen Universität Wien, das Projekt "Raum4refugees" ins Leben gerufen. Die Plattform bietet für Städte und Gemeinden unentgeltlich Beratung, Service sowie einen Pool von Experten, die bei der Entwicklung von Wohnraum-Konzepten Unterstützung bieten.

Flexibler und günstiger

Das Wohnraum-Problem, so Dillinger, könne man aber nicht auf die Flüchtlingsunterbringung reduzieren. Zwei zentrale Felder würden das Problem schon jetzt und in Zukunft noch umfassender dominieren: Leistbarkeit und Flexibilität. "Die Frage ist: wie schaffen wir es, temporären, auch für die heimische Bevölkerung erschwinglichen Wohnraum zu schaffen?"

Die Lösung liegt laut dem Raumplaner in rasch baubaren, kleineren und ausbaubaren Wohneinheiten, wie sie beispielsweise im Rahmen eines Studentenwohnheim-Projekts in der Seestadt Aspern entstehen werden. Der Mehrwert solcher oft in Holzbauweise errichteten Einheiten bestehe darin, den Innenausbau in zwei Stufen zu organisieren. In einer ersten Stufe wird die Innenaufteilung ganz auf die Unterbringung von Flüchtlingen, die in Gruppen oder mit der Familie zusammenleben, ausgerichtet. Werden die Wohneinheiten frei, können sie ohne großen finanziellen Aufwand zu ganz normalen Kleinhäusern umgebaut werden. Ein entsprechendes Projekt im Rheintal steht kurz vor der Fertigstellung. "Das Bauen an sich geht sehr rasch und kosteneffizient - das Problem bei derartigen Projekten besteht darin, Grundstücke zu finden", erklärt Dillinger.

Flexibles, günstiges Wohnen - das klingt gut, hat aber auch einen Nachteil. Von den gewohnt hohen Wohnstandards müsse man sich in Zukunft verabschieden, betont Dillinger: "Ich bin fest davon überzeugt, dass wir bei der Wohnraumqualität Abstriche in Kauf nehmen müssen. Die goldenen Zeiten sind vorbei." In wenigen Jahren hat sich der durchschnittliche Wohnraumbedarf pro Person von 25m2 auf 40m2 erhöht. Derartige Wohnflächen wird man sich laut Dillinger in Zukunft nicht mehr leisten können.

Abstriche bei den Standards freilich bedeuten nicht marode Wohnverhältnisse, gemeint sind eher zusätzliche Attribute. "Tiefgaragen beispielsweise verteuern die Kosten im sozialen Wohnbau enorm", so Dillinger. Viel Platz, zentral, barrierefrei und mit Stellplätzen - in Zukunft wohl eher die Ausnahme.

Dass die unteren sozialen Schichten hierzulande am Wohnungsmarkt mit den selben Problemen konfrontiert sind wie auch die bleibewilligen Flüchtlinge, davon ist auch der Salzburger Soziologe Nikolaus Dimmel überzeugt. Er leitet den Universitätslehrgang für Migrationsmanagement an der Uni Salzburg. "Mit einem Monatseinkommen von unter 1250 Euro ist es kaum noch möglich, überhaupt an leistbare Wohnungen zu kommen", so Dimmel. Das hänge naturgemäß mit der Entwicklung beim sozialen Wohnbau zusammen. Seit die gemeinnützigen Bauträger auf Eigentumsförderung umgestellt haben, würden zu wenig gemeinnützige Mietwohnungen errichtet. Für die sozial Schwächsten sei auch die Einführung der bedarfsorientierten Mindestsicherung diesbezüglich problematisch: "Während früher die Sozialhilfe die hohen Mietkosten noch abfedern konnte, werden bei der Mindestsicherung nur mehr 25 Prozent des Mindeststandards übernommen. Mit nur 215 Euro aus den Pflichtleistungen haben sozial Schwache keine Chance."

Fehler der Vergangenheit

Auch wenn sich in Wien durch die Gemeindebau-Offensive die Situation in den nächsten Jahren verbessern wird - in anderen urbanen Zentren gebe es einen "beklagenswerten Zustand", so Dimmel. Die Bundesländer hätten in den vergangenen Jahren viel zu wenig getan, um ihre strukturschwachen Regionen aufzuwerten und der Abwanderung entgegenzuwirken. Wie auch Raumplaner Dillinger ist Dimmel überzeugt, dass die Städte die Entwicklung der Dynamik von Zuwanderung und dem Wohnungsmarkt zu spät erkannt hätten. "Es wäre notwendig gewesen, bereits in den 70er und 80er Jahren Vorbehaltsflächen zu kaufen. Es gab und gibt keine konzertierte Flächenpolitik, stattdessen werden Flächen gewinnwirtschaftlich verwertet", so der Soziologe.

In Linz wird das letzte für den gemeinnützigen Wohnbau verwertbare Grundstück dieses Jahr verbaut, in Salzburg ist die Situation dramatisch: 10.000 Einwohner sind dort auf Wohnungssuche, in den letzten Jahren sind rund 25.000 Salzburger von der Stadt in den Speckgürtel oder nach Bayern gezogen, wo die Mieten zwischen 15 und 25 Prozent billiger sind. Die Problematik des Flächenmangels konterkariere auch die Bemühungen der Kommunen, Einwohner, auch Flüchtlinge, in der Region zu halten - dabei sei eine räumliche Verteilung aus gesellschaftspolitischen Gründen höchst notwendig. Für Dimmel ist klar: ein Teil der Flüchtlinge wird aus den Ballungszentren ausweichen müssen. Der durch die Flüchtlingsbewegung akute Wohnungsmangel in den Städten könne nicht allein durch Neubauten entschärft werden, so Dimmel. In Wien würden rund 15.000 Wohnungen mehr oder weniger leer stehen - hier müsse die öffentliche Hand reagieren, Spekulationen unterbieten und ungenützten Wohnraum anmieten. "Nutzt die Politik ihre Handlungsspielräume nicht, dann wird es richtig problematisch."